Räume für das Ehrenamt

Altes Zollhaus in Senden

Foto: Hermann Geuting

Senden ist eine Gemeinde südwestlich von Münster. Der Dortmund-Ems-Kanal durchzieht das Gemeindegebiet, und unweit vom Kanalufer liegt ein typisch münsterländisches Wasserschloss. Auch im eigentlichen Ortskern stößt man auf ein bemerkenswertes historisches Gebäude, ein altehrwürdiges Haus, das große Ereignisse der europäischen Geschichte als lokaler Zeuge miterlebt hat. Der Verlust dieses Gebäudes, das nach anderthalb Jahrzehnten Leerstand von substanziellen Schäden bedroht war, hätte Senden um eines seiner wichtigsten Baudenkmäler gebracht. Doch zum Glück gibt es für das Haus nun einen Neuanfang im Dienste des Ehrenamtes.

Teile des „Alten Zollhauses“, das damals allerdings noch nicht so hieß, könnten noch auf das Jahr 1587 zurückgehen. Denn vermutlich wurde das Gebäude in diesem Jahr nach einem verheerenden Brand anstelle eines Vorgängerbaus neu errichtet. Das Feuer hatte mit den großen Kriegsereignissen der Zeit zu tun: Spanien kämpfte schon seit 1568 gegen die nach Unabhängigkeit strebenden niederländischen Provinzen, und Truppen beider Seiten zogen gegen Ende des 16. Jahrhunderts immer häufiger durch das Münsterland, um Kontributionen zu erpressen oder Quartier zu nehmen. Die Bevölkerung war dagegen weitgehend wehrlos. Ein Überfall erbitterter Bauern auf spanisches Militär, das 1587 in Senden lag, half da wenig. Im Gegenteil, die Spanier zündeten zur Vergeltung den ganzen Ort an.


Historische Teilung

Nach dem Wiederaufbau diente unser Haus lange für Versammlungen der Sendener Schützenbruderschaft. Von Zoll war immer noch keine Rede, offiziell gibt es die Bezeichnung „Altes Zollhaus“ sogar erst seit Dezember 2019. Sie ist das Ergebnis eines von Gemeinde und Heimatverein veranstalteten Wettbewerbs zur Namensfindung für das Haus. Der Siegervorschlag erinnert an ein weiteres wichtiges Kapitel der Ortshistorie – an die Zweiteilung Sendens unter der Herrschaft Napoleons. Das Münsterland gehörte damals teilweise direkt zum Kaiserreich Frankreich, teilweise aber zu dem von Napoleon geschaffenen „Großherzogtum Berg“. So entstand eine Staatsgrenze, die von französischen Zollbeamten in den Jahren 1811–13 streng bewacht wurde. In Senden verlief sie entlang eines Bachs mitten durch den Ort, und unser Haus beherbergte die dazugehörige Zollstation.

Nach dem Ende der napoleonischen Ära wurde das Gebäude vor allem als Wohn- und Wirtshaus genutzt. Man nannte es jetzt nach der Familie, die es für rund 150 Jahre besaß, meist „Haus Palz“. Doch zusammen mit der Rettungsinitiative für die seit 1992 denkmalgeschützte Stätte entstand der Wunsch nach einem neuen Namen. Allerdings sollte keineswegs nur ein Denkmal bewahrt werden. Mit seinen vielen Zimmern und dem saalartigen Dachgeschoss wurde dem Haus vielmehr die Rolle eines Begegnungs- und Arbeitszentrums für Vereine und engagierte Gruppen zugedacht – für Heimatverein und Flüchtlingshilfe ebenso wie für Inklusionsbeirat, Musikschule und ökumenischen Jugendtreff, um nur einige zu nennen. Folgerichtig trägt die vom Heimatverein zu diesem Zweck gegründete Stiftung die erweiterte Bezeichnung „Stiftung Altes Zollhaus – Haus des Ehrenamtes“. Die Regierungspräsidentin der Bezirksregierung Münster Dorothee Feller überreichte am 29. September 2021 die Anerkennungsurkunde an die Vorsitzende des Sendener Heimatvereins Agnes Wiesker. Die Regierungspräsidentin konnte sich dabei zugleich vor Ort vom Erfolg der Sanierungsarbeiten überzeugen.


Eingerichtet für die Zukunft

Für diese Sanierung, für die eine der beteiligten Firmen sogar einen Handwerkspreis erhielt, wurden neben den professionellen auch mehrere Tausend freiwillige Arbeitsstunden geleistet, etwa beim staubigen Abschleifen historischer „Mettlacher Fliesen“, die aus einer alten Bauerndiele in das Zollhaus gebracht wurden. Sie schmücken hier jetzt den Boden vor einem ebenfalls aus einem Abrisshaus hinübergeretteten offenen Herdfeuer aus dem Jahr 1861, auf das der Heimatverein besonders stolz ist, wie der zweite Vorsitzende Karl Schulze Höping bestätigt. Für die auf-wendige bauliche Sanierung des Hauses, das heute der Gemeinde gehört, flossen erhebliche Mittel aus dem „Investitionspakt Soziale Integration im Quartier NRW 2018“. Doch um seine künftigen Aufgaben zu erfüllen, benötigt das Haus natürlich auch Mobiliar und zum Beispiel Vitrinen für kleine Ausstellungen. Die NRW-Stiftung leistete dazu einen maßgeblichen Zuschuss und würdigte so das beispielhafte Engagement, das in Senden für die Erinnerung an die Vergangenheit ebenso wie für eine gemeinsame Zukunft geleistet wird.

Text: Ralf J. Günther

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung hat dem „Heimatverein Senden e.V.“ finanzielle Mittel für die Einrichtung des Alten Zollhauses als Haus des Ehrenamtes zur Verfügung gestellt. Damit wird ein durchdachtes, multifunktionales, kulturelles und integratives Nutzungskonzeptunterstützt, das der Belebung der Dorfmitte dient. Die Kooperation zwischen Ehrenamt und Kommune ist zudem beispielhaft für die gemeinschaftliche Bewahrung eines ortshistorisch bedeutsamen Gebäudes.
www.heimatverein-senden.de