Als das berühmte Komponistenehepaar Clara und Robert Schumann im September 1850 nach Düsseldorf zog, da war man dort bereit, rauschende Klänge aus meisterlicher Hand zu bejubeln. Tatsächlich gab es bald Anlass zu solchem Jubel, vor allem bei der Uraufführung von Schumanns Rheinischer Symphonie nur fünf Monate später. Doch fast ebenso schnell kam es zu ersten Misstönen im Verhältnis zu den beiden Musikgrößen – Misstöne, die schon während der zwei Jahre unüberhörbar wurden, in denen das Paar noch nach einer dauerhaften Bleibe für sich und seine Kinder suchte. Das Haus in der Bilker Straße, das die Familie 1852 nach vier Umzügen schließlich zu ihrem Heim machte, wurde jüngst als Museum neu eröffnet. Es erzählt von genialen Leistungen und von bissigen Lästereien.
Die Position des Musikdirektors, die Robert Schumann in Düsseldorf übernahm, wurde von der Stadt zwar stark bezuschusst, Dienstherr war aber der dortige „Allgemeine Musikverein“, der knapp zwanzig Jahre zuvor schon Felix Mendelssohn-Bartholdy ins Rheinland geholt hatte. Der empfand seinen Düsseldorfer Aufenthalt insgesamt als „ungemein angenehm“, ein Urteil, das Schumann anfangs wohl ebenfalls unterschrieben hätte. Den heiter-gelösten Stil seiner Rheinischen Symphonie, die er in nur einem Monat geschaffen hatte, wusste der Komponist allerdings nicht auf seine Arbeit mit Chor und Orchester des Vereins zu übertragen. Zwar lobte er deren musikalische Qualitäten und betonte den guten Geschmack des Düsseldorfer Publikums. Letzteres empfand die Abonnementkonzerte aber trotzdem oft als zu schwere Kost und vermisste schwungvollere Gesten.
In der Gerüchteküche
Diejenigen, die dem 1810 in Zwickau geborenen Sachsen Schumann nicht wohlgesonnen waren, hatten bald Weiteres gegen ihn vorzubringen: Er spreche zu unbestimmt, dirigiere zu langsam, verfolge bei Proben keine klare Linie, bevorzuge eigene Werke und gebe sich allzu unnahbar. Solche und ähnliche Behauptungen hat das Schumann-Haus zu einem Minihörspiel aus lauter Lästereien zusammengefügt, denen man in der winzigen „Gerüchteküche“ lauschen kann. Dabei mangelte es den Schumanns ohnehin nicht an Schwierigkeiten, vor allem bei der Wohnungssuche. Dem Arzt Wolfgang Müller, der sich viel um die Familie kümmerte (und unter dem Namen Müller von Königswinter auch schriftstellerisch hervortrat), hatte Robert Schumann schon vor der Ankunft in Düsseldorf geschrieben, er benötige eine Bleibe „für mich, meine Frau, fünf Kinder und zwei bis drei Dienstboten — keine musikalische Nachbarschaft (ein Hauptpunkt)“.
Da Müller passen musste, endete eine schier endlose Suche mit vierfachem Adresswechsel erst 1852 in der Bilker Straße, in zwei Geschossen eines damals etwa fünfzig Jahre alten Hauses, das heute die letzte der Düsseldorfer Schumann-Wohnstätten mit authentischer Bausubstanz ist. Gleich gegenüber bewahrt das Heinrich-Heine-Institut seine umfangreiche Sammlung zu dem Komponistenpaar, aus der nun herausragende Stücke, ergänzt um Objekte aus dem Besitz der Schumann-Gesellschaft, im neuen Museum gezeigt werden. So bekommt man hier Claras Reisetrinkbecher und ihr eindrucksvolles Schwanenfeder-Cape ebenso zu sehen wie verschiedene Musikinstrumente und Partituren. Dabei gilt: „Keine Note ohne Ton“, sprich: Was auf Papier zu sehen ist, ist stets zugleich in Audioform verfügbar. Keinesfalls fehlen darf im Klangangebot Robert Schumanns berühmtes Klavierkonzert in a-Moll, das er nicht zuletzt für die Hände seiner Frau schrieb. Die NRW-Stiftung ist Miteigentümerin der originalen Notenhandschrift, die 1989 aus Privatbesitz für das Heinrich-Heine-Institut ersteigert wurde.
Das Original von Robert Schumanns Klavierkonzert in a-Moll wurde 1989 für das Heinrich-Heine-Institut ersteigert. Die NRW-Stiftung ist Miteigentümerin. Der Link führt direkt zur Musik.
Romantik und Revolution
Vier Jahre dauerte die Sanierung und Ertüchtigung des Hauses, um pilzgeschädigtes Holztragwerk zu retten, historische Fenster, Türen, Bodenbeläge und Stuckaturen zu bewahren sowie Brandschutz und Barrierefreiheit zu gewährleisten. Letzteres wurde durch einen hofseitigen Glasanbau mit Liftanlage realisiert, durch den sich außerdem ein zusätzlicher Ausstellungsraum ergab. Ein Teil der historischen Hausfassade ist dort zur Innenwand und damit selbst zum Exponat geworden. Überdies fällt der Blick in dem Raum auf eine Art überdimensionalen Scherenschnitt, der auf die Bezeichnung „Straße der Romantik und der Revolution“ anspielt, den die Bilker Straße in Anlehnung an die Dauerausstellung des Heinrich-Heine-Instituts seit einigen Jahren offiziell führt. Die Installation zeigt eine auf den ersten Blick recht idyllische Szenerie, beherrscht von der Farbe Blau wie bei der blauen Blume der Romantik. Bei näherem Hinsehen steht das Ehepaar Schumann allerdings direkt neben eindeutig erkennbaren Barrikaden. Tatsächlich kamen Clara und Robert Schumann nur ein Jahr nach der Revolution von 1848/49 nach Düsseldorf, mit deren Zielen sie sympathisierten, auch wenn sie anders als ihr Zeitgenosse Richard Wagner nicht selbst zu Barrikadenkämpfern geworden waren.
Aufgrund der wachsenden Querelen mit dem Musikverein kündigte Schumann seine Stellung zum Oktober 1854. Schon rund ein Jahr zuvor dirigierte er zum letzten Mal, da sich seine ohnehin seit vielen Jahren angeschlagene Gesundheit nun rapide verschlechterte. Er litt unter zunehmender Verwirrung und massiven Halluzinationen, bei denen er Stimmen, Geräusche und sogar ganze Musikstücke hörte. Der bereits erwähnte Arzt Wolfgang Müller, dem Clara Schumann vertraute, hatte den Komponisten im Herbst 1852 zur Kur nach Scheveningen geschickt und ihm damit zeitweilig geholfen. Jetzt stellte vor allem die Bekanntschaft mit dem jungen Johannes Brahms, der am 30. September 1853 an die Tür klopfte, einen positiven Impuls dar. Dennoch nahm die Tragödie ihren Lauf.
Konzerte im Witwenschleier
Robert Schumanns letzte Arbeit waren die sogenannten Geistervariationen, ein Klavierwerk über musikalische Themen, die ihm – so notierte Clara – „die Geister Schuberts und Mendelssohns vorsangen“. Mitten darin verließ er am 27. Februar 1854, einem Rosenmontag, unbemerkt das Haus, und stürzte sich von der damaligen Pontonbrücke nach Oberkassel in den Rhein. Er wurde gerettet und nach Hause gebracht, setzte sich erneut an die Geistervariationen, ließ sich dann aber freiwillig in die Nervenheilanstalt Endenich bei Bonn bringen, wo er am 29. Juli 1856 verstarb.
Clara Schumann überlebte ihren Mann um vier Jahrzehnte. Mit ihr, die 1819 als Clara Wieck in Leipzig zur Welt gekommen war, hatte Robert Schumann 1840 eine gefeierte Pianistin geheiratet, die auch selbst komponierte. Diese Kompositionstätigkeit gab sie nun fast völlig auf, setzte ihre Karriere als gefragte Pianistin in Deutschland und Europa indes erfolgreich fort. Auf der Bühne trug sie dabei stets einen jener Witwenschleier, von denen ein Exemplar im Schumann-Haus zu sehen ist. Die siebenfache Mutter, die 1878 noch eine Dozentur an der bis heute bestehenden Hoch’schen Musikakademie in Frankfurt übernommen hatte, starb am 20. Mai 1896. Sie wurde neben ihrem Mann auf dem Alten Friedhof in Bonn beerdigt.
Die Urururenkelin
„Ich bin hier total gerne und entdecke Düsseldorf jedes Mal neu“, sagte Heike-Angela Moser schon vor Eröffnung des Schumann-Hauses. Zum festlichen Anlass griff die Nachfahrin von Clara und Robert Schumann dann im angrenzenden Wittgensteinpalais selbst in die Tasten. Warum sie die Lebensstationen ihrer berühmten Vorfahren, besonders die Schumann-Häuser in Zwickau, Leipzig und Düsseldorf, als „magisches Zusammenspiel“ erlebt, erfährt man in der Podcast-Reihe „Romantik und Revolution“ des Heinrich-Heine-Instituts. Dort erzählt die Dozentin für Klavier- und Kammermusik zudem, sie habe sich schon als Kind an Schumanns „Album für die Jugend“ versucht. Jedoch: „Dass das etwas mit einem Ahnenbezug zu tun hatte, war mir damals nicht klar.“
Blickpunkt
Die NRW-Stiftung half dem Förderverein „Schumann-Haus Düsseldorf“ bei der Restaurierung des Schumann-Hauses in der Bilker Straße 15. Dadurch konnten Instandsetzung, Museumsnutzung und Barrierefreiheit gewähr-leistet werden. Zu den Schumann-Beständen des Heinrich-Heine-Instituts in Düsseldorf gehört die mit Beteiligung der NRW-Stiftung erworbene Partitur des Klavier-konzerts in a-Moll, op. 54, von 1845.
www.schumann-haus-duesseldorf.de