Industriegeschichte im Schieferkleid

Haus Harkorten in Hagen

Haus Harkorten in Hagen

Foto: Björn Weiss

Fast könnte man meinen, es handele sich um einen Adelssitz: Gut Harkorten in Hagen-Haspe ist durch Gebäude aus dem 18. Jahrhundert geprägt, gruppiert um einen Hof, auf den eine Lindenallee zuführt. Doch es war die Unternehmerfamilie Harkort, die hier lebte. Ihr Name ist untrennbar mit der Geschichte des Ruhrgebiets verbunden – mit Metallwarenhandel, Hammerwerken, Maschinenfabriken, Eisenbahnen und Brückenbauten. Das Haupthaus auf dem Familienstammsitz gilt als Musterbau bürgerlicher Wohnarchitektur, steht jedoch schon lange leer. Dem drohenden Verfall soll nun Einhalt geboten werden.

Aus dem Jahr 1674 stammt das älteste, heute noch vorhandene Geschäftsbuch der Familie Harkort. Schon damals verfügte sie über weitreichende Handelsbeziehungen bis in den Ostseeraum, verkaufte märkische Eisen- und Stahlwaren unter anderem nach Lübeck, betrieb aber auch Hammerwerke an den Wasserläufen der Ennepe und der Haspe. Gut Harkorten, das erstmals im späten Mittelalter nachweisbar ist und das erhebliche Land- und Waldflächen umfasste, war also im 17. Jahrhundert längst kein reiner Agrarbetrieb mehr. Seine Bedeutung für Handel und Gewerbe sollte außerdem noch stark wachsen.

Die Märckerin

Gesicherter Wohlstand erlaubte dem Ehepaar Johann Caspar und Louisa Catharina Harkort 1756/57 die Errichtung eines neuen, repräsentativen Wohnhauses. Bis heute beeindruckt es durch seine spätbarocken Formen und den Dreiklang aus grauem Schiefer, weißen Fensterrahmen und grünen Fensterläden. Im Innern blieb die ursprüngliche Raumaufteilung mit Diele, Salons, Wohnräumen und Dachkammern erhalten. Nur der lange Leerstand erwies sich als fatal: Nachdem der letzte Erbe die Gutsgebäude verkauft hatte, begannen 2014 zwar Sanierungen, doch ausgerechnet das Haupthaus blieb dabei außen vor. Zum Glück hat der „Verein zur Förderung des Erhalts und der Entwicklung von Haus Harkorten e. V.“ morschen Balken und Pilzbefall mittlerweile den Kampf angesagt. Wenn er gewonnen ist, wird das Gebäude eine neue Zukunft bekommen.

Haus Harkorten – aus Sicht der Denkmalpflege ein national wertvolles Kulturgut – erinnert an bedeutende Persönlichkeiten der Wirtschaftsgeschichte, darunter die bereits erwähnte Louisa Catharina Harkort, wegen ihres Geburtsnamens Märcker oft als „die Märckerin“ bezeichnet. Ihr Ehemann starb nur vier Jahre nach der Errichtung des neuen Wohnhauses, und da die männlichen Nachkömmlinge damals noch Kinderschuhe trugen, übernahm die Witwe die Geschäfte — für insgesamt 34 Jahre. Sie kannte sich mit Stahl und Eisen aus, agierte in der Ruhrschifffahrt und vertrat gewerbliche Interessen gegenüber der Regierung. Man darf sie in einem Atemzug mit der knapp fünfzig Jahre jüngeren, ebenfalls verwitweten Christine Englerth (1767-1838) nennen, die als Unternehmerin im Aachener Revier Geschichte schrieb.


Pionier und Publizist

Die Erfolge der Märckerin schufen auch die Voraussetzungen für die Karriere ihres 1793 geborenen Enkels Friedrich Harkort, den man als den „Vater des Ruhrgebiets“ kennt. Wobei andere Pioniere der Ruhrindustrie wie der vierzehn Jahre ältere Franz Haniel nicht zu vergessen sind. Haniel und Harkort ermöglichten es dem Bergbau mit innovativen Bohr- und Pumptechniken die großen Tiefen zu erreichen, in denen die Ruhrkohle überwiegend lagerte. Harkort war überdies stark für die Eisenbahn engagiert. Schon 1825 rief er zum Bau einer Schienenstrecke von Köln nach Minden auf, das heißt zu einer Verbindung zwischen Rhein und Weser.

Angesichts seiner wichtigen Rolle als industrieller Impulsgeber erscheint es paradox, dass Friedrich Harkort mit eigenen Unternehmen oft wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. Manche meinen, er habe sich von der Konkurrenz allzu häufig in die Karten schauen lassen. Unbeirrbar blieb er jedoch als Politiker, etwa im Deutschen Reichstag, und als Publizist. In seinen Schriften sprach er sich gegen Kinderarbeit aus und forderte Krankenversicherungen sowie bessere Bildungsmöglichkeiten für die Arbeiterschaft. Eine seiner Veröffentlichungen brachte ihn wegen angeblicher Hetze gegen das „Junkertum“, also den Adel, sogar vor Gericht, wo man ihn aber freisprach. Der Enkel der Märckerin starb 1880 und wurde auf dem familieneigenen Gut Schede in Herdecke bestattet. Seine Großmutter fand ihre letzte Ruhestätte bei Haus Harkorten.

Text: Ralf J. Günther

 

Eine Fabrik in einer Burgruine — die symbolträchtige Darstellung aus der Frühzeit der Ruhrindustrie wurde 1834 von dem damals achtzehnjährigen Alfred Rethel gemalt, der später vor allem durch historische Szenen hervortrat, etwa durch die berühmten Karlsfresken im Aachener Rathaus. Das Bild zeigt die 1818 von Friedrich Harkort zusammen mit einem deutschen Bankier und einem englischen Techniker gegründete Maschinenfabrik auf der Burg Wetter an der Ruhr (über dem heutigen Harkortsee). Diese Harkort’sche Fabrik ist nicht mit dem Harkort-Werk beim Familienstammsitz in Hagen zu verwechseln.

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung unterstützt den „Verein zur Förderung des Erhalts und der Entwicklung von Haus Harkorten e.V.“ bei der denkmalgerechtem Restaurierung des „Neuen Hauses“, das zu den bedeutenden historischen Unternehmervillen in NRW gehört. Es ist stilgeschichtlich vergleichbar mit dem Engels-Haus in Wuppertal. Die Förderung soll das Bauwerk für spätere Nutzungen sichern. www.haus-harkorten.de