Dem Geheimnis des Brachvogels auf der Spur

Forschung für den Naturschutz

Forschung für den Naturschutz

Foto: blickwinkel/H. Pieper

Wer einmal an einem frühen Morgen auf einer nebelverhangenen Feuchtwiese oder in einem Moor dem weithin hörbaren Flöten und Trillern eines Brachvogels gelauscht hat, wird dieses Erlebnis so schnell nicht vergessen. Die wehmütigen Rufe und melancholischen Gesänge der Brachvögel gehören zu den melodischsten und stimmungsvollsten Klangerlebnissen, die unsere Natur zu bieten hat. Und auch sonst ist der Brachvogel, der bis zu einer Reform der Vogelnamen vor kurzem Großer Brachvogel hieß, ein Vogel der Superlative. Er ist Europas größte Watvogelart und besitzt einen der im Verhältnis zu seinem Körper längsten Schnäbel unter allen Vögeln. Hühnergroß, aber viel schlanker stochert er auf langen Beinen mit seinem gleichmäßig abwärts gebogenen Schnabel in Schlammflächen oder sattnassen Wiesen nach Kleintieren.

Auch in Nordrhein-Westfalen kann man diese spektakuläre Vogelart noch beobachten. Allerdings nehmen ihre Bestände seit einigen Jahren stark ab. Derzeit brüten landesweit deutlich unter 600 Brachvogel-Paare. Das war nicht immer so. Zu Beginn der 2000er Jahre stieg die Zahl dieser gefiederten Schätze der typischen Flachland-Wiesenlandschaften NRWs sogar an. Noch 2014 waren es 700 Paare.

Der Verlust von mehr als 15 Prozent aller Brachvögel innerhalb weniger Jahre bereitet Vogelschützern Sorge. Das gilt umso mehr, als über die Gründe für den Rückgang nur wenig bekannt ist. Wie auch andere Vogelarten feuchter Wiesen wie Kiebitz, Uferschnepfe oder Wachtelkönig leidet auch der Brachvogel unter der vielerorts beständigen Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung des Offenlandes. Aber auch in Schutzgebieten nehmen die Brachvogelbestände ab. Mit Hilfe moderner Technik wollen Fachleute der Biologischen Stationen in NRW nun herausfinden, welche Faktoren hinter dem Schwund der Brachvögel stecken. Die NRW-Stiftung unterstützt das Projekt finanziell.

 

Um ihren Lebenslauf lückenlos erfassen zu können, wurden in diesem Jahr in sieben Kreisen zehn Brachvögel im Rahmen des Vorhabens gefangen und mit kleinen GPS-Sendern versehen. Mit Hilfe der Sender lassen sich die Bewegungsmuster der Vögel aufzeichnen. Zudem werden Daten zu anderen für den Schutz der Art wichtigen Faktoren ermittelt. Wann fliegt ein Brachvogel wohin? Wie hoch fliegt er und kommt er dadurch beispielsweise durch Windräder in Gefahr? Meidet er bestimmte Strukturen wie Straßen, Wälder oder Hecken? Welche Flächen suchen die Vögel besonders gerne auf, und wieso fliegen manche Brachvögel auch während der Brutzeit abends größere Strecken, um an einer anderen Stelle als ihr Partner zu übernachten? Mit den Antworten auf solche Fragen im Zuge einer sogenannten Raumnutzungsanalyse lassen sich wichtige Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um einen Lebensraum beispielsweise in einem Naturschutzgebiet für die Vögel zu verbessern. Die brachvogelgerechte Optimierung von Feuchtgebiets-Lebensräumen in Schutzgebieten dient auch anderen Vogel- und Tierarten und ist heute auch deshalb besonders wichtig, weil viele Schutzgebiete bis an ihre Grenze heran von intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben sind, auf denen Brachvögel und andere Arten wenig Chancen auf eine erfolgreiche Fortpflanzung haben. Neben der Optimierung der bestehenden Schutzgebiete ist die Schaffung bzw. der Erhalt noch vorhandener natürlicher Inseln innerhalb der intensiv genutzten Landschaft ein weiteres Schlüsselelement im Bemühen, den Abwärtstrend des Brachvogels zu stoppen und umzukehren. Die notwendigen Informationen dazu soll das Besenderungsprojekt des Dachverbands der Biologischen Stationen in NRW in Kooperation mit den lokalen Biologischen Stationen liefern. Die Brachvogel-Schützerinnen und -Schützer fangen allerdings nicht bei Null an. Im Rahmen eines Projekts, das vom Bundesamt für Naturschutz (BfN), der Niedersächsischen Wattenmeerstiftung und dem Landkreis Aurich gefördert wurde, wurden in Niedersachsen, aber auch in den Kreisen Steinfurt und Kleve bereits Brachvögel „besendert“. Schon dadurch ergaben sich einige bisher nicht bekannte Hinweise auf die Raumnutzung der Vögel in den verschiedenen Phasen des Brutgeschäfts. In enger Anlehnung an dieses Projekt werden nun auch in NRW weitere Daten gesammelt. Das Gesamtprojekt wird durch das Institute for Waterbird and Wetlands Research mit Sitz in Verden (Aller) koordiniert. Die Daten aller „Sendervögel“ sollen dann von Spezialisten der Abteilung für Biodiversität und Landschaftsökologie an der Universität Osnabrück ausgewertet werden.

Text: Thomas Krumenacker

Blickpunkt

NRW ist eine der letzten Hochburgen des Brachvogels in Deutschland. Aber auch hier nehmen die Bestände stark ab. Die NRW-Stiftung unterstützt den Erhalt der Brachvögel durch die Bereitstellung von Mitteln zum Kauf von zehn GPS-Sendern, mit denen die Aktivitäten der Wiesenvögel rund um die Uhr metergenau verfolgt werden können. Forscherinnen und Forscher erhoffen sich dadurch Aufschluss über die Lebensraumansprüche der Vögel. Die NRW-Stiftung finanziert auch die Anbringung der Sender mittels „Rucksäcken“ durch ausgebildete Fachleute.
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