Wohnungsnot – nicht nur für Menschen ein drängendes Thema. Auch viele Tiere leiden darunter. Überall in NRW arbeiten Menschen daran, ihren tierischen Mitbewohnern zu helfen und ein Zuhause für Vögel, Insekten, Fledermäuse und Amphibien zu schaffen. Die NRW-Stiftung unterstützt zahlreiche der Projekte.
Quartiere für Tiere, Angebote für Artenschutz

Gehörnte Mauerbiene · Foto: Sabine Seiter_al / Alamy Stock Photo

Der alte Trafoturm „Elp“ zwischen Haan und dem Ortsteil Gruiten ist ein architektonisches Kleinod der Industriegeschichte. Von den Rheinischen Elektrizitätswerken aus Ziegelmauerwerk mit einem Dach in Zeltoptik, Stuck und dekorativen Fassadenelementen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts errichtet, spiegelt der 13 Meter hohe Turm bis heute den Stolz aus der Epoche wider, in der Deutschland flächendeckend elektrifiziert wurde. Um den Strom aus den Überlandleitungen zu verteilen und für die Haushalte nutzbar zu machen, musste er in Trafostationen auf Niederspannung abgespannt werden. Längst erledigt auch in Haan ein moderner Kompakttransformator diese Aufgabe und das denkmalgeschützte Trafohäuschen wurde selbst „transformiert“: in ein neues Zuhause für Vögel, Fledermäuse und Insekten.

Engagierte Naturschützerinnen und Naturschützer der AG Natur und Umwelt Haan e. V. übernahmen den Turm 2017 und bauten ihn mit finanzieller Unterstützung der NRW-Stiftung zu einem „Artenschutzturm“ um. Unter dem Dach hat sich inzwischen ein Turmfalken-Pärchen im bereitgestellten Nistkasten häuslich eingerichtet, gleich daneben bieten Spaltenquartiere im Gebälk Fledermäusen Wohnraum. An der Fassade hängen Fledermausbretter als Unterschlupf für die nachtaktiven Insektenjäger; Halbhöhlen- und andere Nistkästen bieten Wohnraum für gerne an Gebäuden brütende Vogelarten wie Haussperling, Hausrotschwanz oder Bachstelze. Schmetterlinge wie Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs oder C-Falter wiederum finden durch kleine Öffnungen in der Fassade Zugang zu geschützten Überwinterungsquartieren im Inneren des Turms. Dort teilen sie sich ihre tierische Wohngemeinschaft mit anderen überwinternden Insekten wie Marienkäfern und diversen Spinnenarten.



Wie im Kreis Mettmann zwitschert, summt und brummt es heute an vielen solchen ehemaligen Trafohäuschen in Nordrhein-Westfalen. Die NRW-Stiftung fördert eine Reihe weiterer Artenschutzprojekte an Gebäuden, beispielsweise in einem ehemaligen Stellwerk in Gelsenkirchen-Hassel. In dem Gebäude auf dem früheren Kokerei-Gelände bieten allerlei speziell auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Bewohner abgestimmte Unterschlüpfe in Kästen, Spalten und Nischen Fortpflanzungsmöglichkeiten für ein halbes Dutzend Vogelarten, Fledermäuse, Schmetterlinge, Wildbienen und Spinnen. Binnen weniger Jahre hat sich das Gebäude, das mit Hilfe der Vogelsang Stiftung vor dem Abriss gesichert und anschließend in ihr Eigentum übernommen worden ist, von einem Denkmal des Industriezeitalters zu einem Hotspot der biologischen Vielfalt mitten im Ruhrgebiet gemausert.
Das mit Abstand größte Artenschutzhaus des Landes findet sich im Märkischen Kreis. Nahe des neuen Naturschutzzentrums im Lüdenscheider Ortsteil Oelken haben die Aktiven des lokalen Fördervereins Naturschutz eine 2.000 Quadratmeter große Panzerhalle nach dem Abzug der dort stationierten Garnison der belgischen Armee übernommen und wildtiergerecht umgestaltet. Dort, wo früher Panzer untergestellt wurden, finden heute bedrohte Tierarten eine Heimat. Dazu wurde die Halle mit hunderten Unterschlüpfen und Brutstätten für Tiere ausgestattet. Unter dem Dach entstanden hinter Verkleidungen Dunkelräume für Fledermäuse und der Keller wurde zur frostfreien Überwinterungsstätte für Feuersalamander und weitere Amphibien. Im Inneren und an der Fassade bieten Kästen, Spaltenquartiere und weitere Nisthilfen Wohnraum für Vögel, Fledermäuse und Insekten in Hülle und Fülle. Von Frosch bis Vogel, von Insekt bis zum Reptil haben ungezählte Arten eine neue Bleibe gefunden. Zudem können sich Besucherinnen und Besucher über Möglichkeiten informieren, wie sie durch naturverträgliches Bauen und mittels Nisthilfen Tieren ein Zuhause geben können.
Für viele Arten sind Nisthilfen inzwischen überlebenswichtig – in den Städten und auf dem Land. Zu ihnen gehört auch der heimliche Wappenvogel Nordrhein-Westfalens: der Steinkauz. Nirgendwo in Deutschland leben mehr dieser kleinen Eulen als in NRW. Rund 5.000 Brutpaare gibt es hier noch. Für Steinkäuze stimmt häufig noch die Nahrungsgrundlage. Auch die NRW-Stiftung unterstützt zahlreiche Projekte zum Erhalt der Eulen-Habitate auf Streuobstwiesen. Woran es mangelt, sind Brutgelegenheiten. Um das zu ändern, haben überall im Land ehrenamtliche Naturschützerinnen und -schützer Niströhren aufgehängt, die mit einer Länge von einem Meter ausreichend Platz für die Aufzucht von meist drei bis vier Jungvögeln bieten. Landesweit brüten etwa die Hälfte aller Steinkäuze mittlerweile in Kästen.



Wenn die Feuerwehr Nester baut: Ein Rettungseinsatz für Wildvögel
Wo sonst Schläuche ausgerollt und Brände bekämpft werden, wird nun gehämmert, geschraubt und gesägt. Die Jugendfeuerwehr Nordrhein-Westfalen tauscht zumindest auf Zeit Feuerwehrausrüstung gegen Werkzeugkasten, um sich für den Schutz heimischer Wildvögel einzusetzen. Mit seiner Kampagne „Flügelschutz in Aktion“ will der Feuerwehrnachwuchs mithelfen, die Wohnungsnot für Meisen, Sperlinge und viele andere Vogelarten zu verringern.Mit dem Projekt wollen die jungen Feuerwehrleute einen praktischen Beitrag zum Vogelschutz leisten und zugleich dabei helfen, mehr junge Menschen für den Natur- und Umweltschutz zu begeistern. Die NRW-Stiftung unterstützt das Vorhaben mit einer Förderung in Höhe von 70.000 Euro. Die Idee, sich stärker dem Vogelschutz zu widmen, kam von den jungen Leuten selbst. Im Rahmen eines landesweiten Jugendforums hatten sie den Wunsch formuliert, sich verstärkt für Umwelt- und Naturschutzthemen zu engagieren.Mit weit mehr als 1.000 Jugendgruppen ist die Jugendfeuerwehr flächendeckend in NRW aktiv – beste Voraussetzungen also für eine wirkungsvolle Kampagne zugunsten des Artenschutzes. Über die Website der Jugendfeuerwehr NRW konnten sich Gruppen für das Projekt registrieren. Insgesamt wurden fast 300 Pakete mit Bausätzen für jeweils sechs Nisthilfen an teilnehmende Gruppen versandt. So konnte ein Viertel aller Jugendfeuerwehrgruppen in NRW erreicht werden.Die Jugendfeuerwehr arbeitet eng mit den „Werkstätten Haus Hall“ in Gescher zusammen, wo die Bausätze für die Nisthilfen gefertigt und für den Versand vorbereitet wurden. Flankierend zum Bau und Anbringen der Kästen stellen auch die regelmäßigen Gruppenstunden der beteiligten Ortsverbände das Thema Vogelschutz für die Dauer der Kampagne in den Mittelpunkt. Fachlich beraten werden sie von einem Biologen der Stadt Bottrop.



Klimaschutz auf Kosten der Artenvielfalt?
Ausgerechnet das zunehmende Umweltbewusstsein verschärft an manchen Orten die Wohnungsnot für Tiere. Um Energie und damit den Ausstoß von Treibhausgasen einzusparen, werden immer mehr Gebäude energetisch saniert. Doch das Verschließen von Spalten, Löchern und Ritzen verhindert nicht nur den Verlust von Wärme nach außen. Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung verbauen allzuoft auch Fledermäusen, Vögeln und Insekten die Nutzung von Gebäuden als Fortpflanzungs- oder Überwinterungsstätten. Nach Berechnungen des in Münster ansässigen Dachverbands Deutscher Avifaunisten ist die Zahl der Vögel im urbanen Raum in den vergangenen zwei Jahrzehnten bundesweit um fünf Millionen geschrumpft. Eine der Ursachen: der Verlust von Brutmöglichkeiten.
Doch das Problem ist erkannt. Fachleute des Bonner Bundesamts für Naturschutz haben gemeinsam mit dem NABU eine detaillierte „Arbeitshilfe Artenschutz für die energetische Gebäudesanierung“ erarbeitet. Darin wird aufgezeigt, wie Gebäude energieeffizient gedämmt werden können, ohne dass Zwergfledermaus, Mausohr, Mauersegler, Spatz und Co wohnungslos werden. Das ermutigende Fazit der Studie: „Das Angebot an Nistmöglichkeiten und Quartieren für Vögel und Fledermäuse lässt sich bei einer energetischen Sanierung oft sogar gegenüber vorher noch deutlich verbessern.“ Das Nachschlagewerk für Baubranche, Behörden und alle, die ihr Heim energetisch sanieren wollen, kann auf der Internetseite des Bundesamts heruntergeladen werden.

Hilfe für das Große Mausohr
Nicht nur zeitgemäßes Bauen lässt sich bei gutem Willen mit dem Schutz der Natur verbinden. Auch das Bewahren historischer Stätten muss nicht auf Kosten der tierischen Bewohner gehen. So verbringen im restaurierten historischen Eiskeller Altenberge im Kreis Steinfurt alljährlich Großes Langohr, Wasser- und Fransenfledermäuse den Winter. Die NRW-Stiftung fördert seit vielen Jahren Projekte zum Fledermausschutz. Sie unterstützt zum Beispiel das Engagement von Naturschützenden für das Große Mausohr.
Die größte mitteleuropäische Fledermaus rangiert in NRW als stark gefährdet weit oben in der Roten Liste. Auf etwa 5.000 Tiere wird der Bestand geschätzt. Eines der bedeutendsten Vorkommen des Großen Mausohrs in NRW hat sein Zuhause im ehemaligen Pfarrhaus der evangelischen Kirchengemeinde Eitorf im Rhein-Sieg-Kreis gefunden. Rund 450 Weibchen ziehen dort Jahr für Jahr ihren Nachwuchs in einer fledermausgerecht umgebauten ehemaligen Dachgeschosswohnung auf. Immer häufiger stellt der Klimawandel auch die Fledermäuse vor neue Herausforderungen. Temperaturen deutlich oberhalb der 40-Grad-Marke während der zunehmenden Hitzewellen in den Sommermonaten sind in den Fledermausquartieren keine Seltenheit. Für die Betreuer und Betreuerinnen bedeutet dies häufig Mehrarbeit durch die regelmäßige Versorgung ihrer Schützlinge mit Wasser. Doch wie in Eitorf, wo die langjährige Naturschützerin Heidrun Brieskorn sich um das Wohlergehen der Fledermäuse kümmert, gelingt es vielerorts, durch dieses Zusatzengagement beachtliche Nachwuchszahlen der nächtlichen Jäger zu gewährleisten. In Eitorf überstand die Kolonie auch eine rücksichtsvoll vorgenommene Renovierung und Dämmung des Dachstuhls unbeschadet.

Nisthilfen – ein Gewinn für Natur und Mensch
Von der Solidarität mit den tierischen Mitbewohnern in Stadt, Land und manchmal sogar im eigenen Haus profitieren nicht nur die Tiere. Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Begegnung mit der Natur gerade in den dicht besiedelten städtischen Regionen eine positive Wirkung auf Gesundheit und psychisches Wohlbefinden von Menschen hat. Der Nachhaltigkeitsforscher Daniel Cox von der Universität Exeter fand heraus, dass der regelmäßige Kontakt mit Vögeln unter Großstädtern sogar die Häufigkeit psychischer Erkrankungen senken kann. „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Anzahl der Vögel, die Menschen in ihrem Viertel erleben können, und der Wahrscheinlichkeit von Depression, Angststörungen und Stress in dem Viertel“, sagt Cox. „Je mehr Vögel, desto weniger psychische Erschöpfung oder Depression.“
Einen nicht weniger handfesten Dienst erweisen uns die in künstlichen Nisthilfen brütenden Vögel und Fledermäuse obendrein gratis: Sie halten Stechmücken in Schach. Ein einziger Mauersegler beispielsweise verfüttert bis zu 60.000 Insekten am Tag an seine Nestlinge. Auch alle bei uns lebenden Fledermausarten sind ausschließlich Insektenfresser. Sie übernehmen in der Nacht den Job, den Vögel am Tag erledigen. Selbst eine einzige winzige Zwergfledermaus vertilgt 140.000 Stechmücken im Laufe einer Saison, wie das Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung herausfand. Mit ihrem unersättlichen Appetit auf Insekten helfen Fledermäuse auch bei der Eindämmung potenzieller Krankheitsüberträger. Ein ökologischer Service, der in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger wird. Denn mit höheren Temperaturen sind auch Krankheiten wie das Westnilvirus und das Dengue-Fieber auf dem Vormarsch.



Was jede und jeder selber tun kann
Schon einfache Maßnahmen können einen Beitrag zum Wildtierschutz leisten. Nistkästen im Garten oder am Balkon sind nicht nur in der Brutzeit wichtig für Vögel, Fledermäuse und Insekten: Tiere suchen dort auch im Winter nach einem Unterschlupf. Wer kleine Spalten und Ritzen an Gebäuden offen lässt, kann Fledermäusen zusätzlich helfen.
Außerdem macht das Bauen von Nistkästen, Insektenhotels und Spaltenboxen einfach Spaß und eignet sich hervorragend, um Kinder mit Tieren und deren Lebensweise vertraut zu machen. Die Wahl des richtigen Nests ist für Tiere aber auch eine der wichtigsten Entscheidungen überhaupt, kann sie doch über Leben und Tod des Nachwuchses entscheiden. Deshalb ist es entscheidend, dass auch die Nisthilfen fachgerecht gestaltet und am richtigen Ort angebracht werden. Die Biologischen Stationen und Naturschutzverbände halten dazu umfangreiche Informationen bereit.So wichtig Nisthilfen sind, so wenig reichen sie allein aus, um die biologische Vielfalt zu bewahren. „Was nützt es, ein Bett zu haben, wenn der Tisch nicht gedeckt ist?“, fragt Michael Jöbges, langjähriger Experte der Vogelschutzwarte NRW. „Nur, wenn wir gleichzeitig dafür sorgen, dass genügend Nahrungsräume zur Verfügung stehen, macht die Hilfe bei Niststätten Sinn.“ Deshalb sei der Schutz bestehender und die Schaffung weiterer innerstädtischer Grünflächen und Parks mit „wilden Ecken“ und Gewässern ebenso wichtig für den Erhalt der Artenvielfalt in Städten. Auch Hausbesitzerinnen und Kleingärtner könnten durch den Verzicht auf Chemikalien und eine überzogene Ordnungsliebe in den Gärten einen Beitrag leisten: Heimische Sträucher mit dornigen Zweigen bieten Vögeln Schutz und Nahrung, wilde Ecken mit Brennnesseln ziehen Schmetterlingsraupen an, die wiederum Vögeln als Futter dienen. Selbst auf dem Balkon lassen sich solche Mini-Biotope schaffen.
Text: Thomas Krumenacker
Kicken in Einklang mit der Natur
Bei diesem Verein hat die Umwelt schon vor dem Anpfiff gewonnen: Denn bei den Kickern des VfR Sölde 1922 e. V. aus Dortmund steht Nachhaltigkeit nicht im Abseits, sondern quasi mit auf dem Platz. Dafür wurde der Verein mit dem Engagementpreis NRW in der Kategorie Sonderpreis der NRW-Stiftung ausgezeichnet. Der VfR setzt mit seinem Projekt „Klima ist unser Heimspiel“ Maßstäbe für nachhaltigen Sport. Nach einem Öko-Check modernisierte er seine Sportanlage mit energiesparendem und insektenfreundlichem LED-Flutlicht, sanierte sein Vereinshaus energetisch und stellte auf Öko-Strom um. Zudem wurden Wildblumenwiesen, Nisthilfen und Lebensräume für Insekten geschaffen. Auch setzt der Verein auf Trikots aus recyceltem Material. „Ich hoffe, dass unser Vereinsgelände auch in 100 Jahren im Einklang mit der Natur steht“, sagt Vereinsvorstand Siegfried Müller mit Blick auf das angrenzende Naturschutzgebiet.
