In aktiven Museen sind Dauerausstellungen keine Dauerzustände, sondern erleben von Zeit zu Zeit Neugestaltungen und Neukonzeptionen. Auch das Schulmuseum in Bergisch Gladbach hat seine Präsentation jüngst aktualisiert und um wichtige Themen erweitert. Den Anlass dazu bot der 150. Jahrestag des Schulgebäudes in Bergisch Gladbach-Katterbach, in dem das Museum untergebracht ist. So erklärt sich zugleich der Titel der neuen Ausstellung: „Schule Katterbach 1871 – heute –morgen: Rolle vorwärts!“.
Das Schulmuseum in Bergisch Gladbach ist seit 1990 zu besichtigen. Den Grundstock dazu hatte der ehemalige Kreisschulrat Carl Cüppers schon in den späten 1960er Jahren gelegt. Cüppers rettete bei den damals anstehenden Auflösungen alter ländlicher Volksschulen zugunsten moderner Schulzentren zahlreiche historische Möbel, Bücher, Akten und Gegenstände vor der Müllhalde. Darunter waren nicht zuletzt viele Schulwandbilder, die den Zeitenwandel im Klassenraum auf ihre großformatige Weise besonders anschaulich machen. Zudem gründete Cüppers 1982 den Arbeitskreis, der das Museum betreuen sollte. Und nachdem die Ausstellung ihre Pforten tatsächlich geöffnet hatte, trug der Schulrat a. D. dort mit „historischen Unterrichtsstunden“ auf seine ganz eigene Weise jahrelang zur Museumspädagogik bei – mit Frack, Rohrstock und gespielter Strenge. Cüppers starb 2008 im Alter von 88 Jahren, doch sein Name lebt in der nach ihm benannten Sammlung fort.
Penne und Protest
Die letzte grundlegende Veränderung der Katterbacher Dauerausstellung liegt mittlerweile über zwanzig Jahre zurück. Es ist aber nicht so, dass das Schulmuseum den Ausdruck „Penne“ in der Zwischenzeit schlichtweg als Aufforderung betrachtet hätte. Denn erstens wissen die ehrenamtlichen Kräfte, die das Haus betreuen, selbstverständlich, wovon sich die Bezeichnung „Penne“ in Wirklichkeit ableitet – nämlich vom lateinischen Wort „penna“ für die (Schreib)Feder. Und zweitens hat es an Aktivitäten rund um das Museum nie gefehlt. Besonders wichtig: Im Mai 2008 wurde ein Förderverein gegründet, der 2011 die Trägerschaft des Museums übernahm. Schon im Jahr darauf konnte ein Anbau für Veranstaltungen eröffnet werden. Und 2017 wurde ein Raum zum Schulalltag durch Mitmach-Stationen so gestaltet, dass sich Kinder, Jugendliche und Familien besser ansprechen ließen.
Vor allem aber sorgten spannende Sonderausstellungen immer wieder für Aufmerksamkeit und Zuspruch. So widmete sich das Museum 2018 – fünfzig Jahre nach der legendären 68er-Zeit – dem großen Komplex „Schule zwischen Reform und Protest“. Gerade für Bergisch Gladbach handelte es sich dabei um ein relevantes Thema, entstand doch im Stadtteil Paffrath eine der ersten jener Gesamtschulen, die im NRW der 1970er Jahre politisch lange heiß umstritten waren. Diese und andere Sonderschauen lieferte viele Anknüpfungsunkte für die grundlegende Überarbeitung der kompletten Schulausstellung, die sich nun thematisch vielfältiger und interaktiver präsentiert.
Sieben Hingucker
Es gibt nicht nur neue Informationsangebote zu Kaiserzeit, Weimarer Republik und Nationalsozialismus im Spiegel der Schulgeschichte, die Ausstellung reicht jetzt sogar bis in die Gegenwart hinein. Außerdem bezieht sie multimediale Vermittlungsformen mit ein, etwa in Form von Videointerviews mit Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften als Zeitzeugen. Darüber hinaus geht es um aktuell diskutierte Themen wie die Darstellung von „Fremden“ in Abbildungen für den Schulunterricht. Ganz besonders wecken sieben „Hingucker“ – alltägliche Schulobjekte in neuer Betrachtung – die Neugier auf teilweise verblüffende Themen wie den „Nothhelfer“ im Klassenraum (siehe Kasten). Die Themenvielfalt der neuen Präsentation, bei der die NRW-Stiftung wieder wie schon mehrfach zuvor als Förderpartnerin des Museums auftrat, schlägt sich auch in einem 256 Seiten starken Museumsführer mit 280 Abbildungen nieder. Wer sich die Rolle vorwärts oder rückwärts nicht mehr zutraut, kann darin zumindest gespannt vor- und zurückblättern.
Text: Ralf J. Günther
Sitzenbleiben mit Karl Nothhelfer
Haben Sie je die Schulbank gedrückt? Im übertragenen Sinne sicherlich – praktisch aber vermutlich nicht. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich in den deutschen Klassenzimmern zunehmend das frei platzierbare Schulmöbel durch. Der Klassiker war dabei der Schulstuhl des Designers Karl Nothhelfer, Professor für Formgestaltung und Handwerk (1900 – 1980). Der Stuhl wurde 1950 zum Patent angemeldet, bestand aus massivem Buchenholz und war mit charakteristischen Kufen statt gewöhnlicher Stuhlbeine ausgestattet. Diese Kufen sollten das Wippen zappeliger Schülerinnen und Schüler verhindern. Es ging mit einem gewissen Risiko aber trotzdem, wie vor allem diejenigen noch wissen, die sich nach allzu ambitionierten Wipp-Experimenten unversehens unter ihrem Pult wiederfanden.
Blickpunkt
Die NRW-Stiftung unterstützte den „Förderverein des Schulmuseums Bergisch Gladbach e.V.“ mit Mitteln für die grundlegende Neu-gestaltung und Aktualisierung der Dauerausstellung. Schon 1999 wurden die Sanierung und der Ausbau des Museums, 2010 die Erweiterung durch einen Anbau sowie 2018 der Katalog zur Aus-stellung „1968 – Schule zwischen Reform und Protest“ gefördert.
www.das-schulmuseum.de