Lebensraum für Goldhafer und Dukaten-Feuerfalter

Bergwiesen bei Winterberg

Foto: Axel M. Schulte

Naturschutz mit langem Atem: Neun Jahre lang hat es gedauert, im Juni 2021 wurde das Flur-bereinigungsverfahren zur Erhaltung typischer Bergwiesen im Hochsauerlandkreis abgeschlossen. Mit dem in zwei Abschnitten umgesetzten Projekt „Bergwiesen bei Winterberg“ konnten insgesamt 168 Hektar Lebensraum für Pflanzen- und Tierarten wie Wald-Storchschnabel, Goldhafer und Dukaten-Feuerfalter geschützt und ein weiteres Stück einer seltenen traditionellen Kulturlandschaft bewahrt werden. Denn nur in den höchsten Lagen des Sauerlands und in der Eifel finden sich in NRW echte Bergwiesen.

Um sowohl den Interessen der landwirtschaftlichen Nutzung als auch denen des Naturschutzes gerecht zu werden, wurden im Zuge des Verfahrens Grundstücke durch die NRW-Stiftung und weitere Partner aufgekauft. Den bisherigen Eigentümerinnen und Eigentümern wurden teilweise mit Hilfe des Bodenmanagements Ersatzflächen vermittelt. Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren rund 2,5 Millionen Euro in die Natur investiert, die NRW-Stiftung stellt 34 Hektar Eigentums-land zur Verfügung.


Natur, die den Menschen braucht

Auch auf den Naturschutzflächen findet eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung statt, denn Bergwiesen sind keine Wildnis, sondern eine artenreiche Kulturlandschaft mit langer Tradition. Die traditionelle Heugewinnung mit einem späten Termin für die Mahd lässt Gräsern und Kräutern viel Zeit zum Wachsen, Blühen und zum Ausreifen der Samen. Die bunte Blütenpracht bietet zugleich Lebensraum für andernorts durch Überdüngung und Pestizideinsatz selten gewordene Wildkräuter, Schmetterlinge, Heuschrecken und Vögel – und nicht zuletzt einen Erholungsraum für Menschen.

Würde die nachhaltige Heu-Bewirtschaftung aufgegeben, würden die Wiesen verbuschen und einer der artenreichsten und ästhetisch schönsten Lebensräume der Mittelgebirge ginge verloren. Ohne Landwirte keine Blühwiesen: Deshalb stehen in den seit vielen Jahren von der NRW-Stiftung unterstützten Bemühungen zum Erhalt der Bergwiesen stets Mensch und Natur im Mittelpunkt: Das erfordert gelegentlich Kompromisse auf allen Seiten. So wird die Bewirtschaftung auf den Naturschutzflächen an den Belangen der Natur ausgerichtet und im Tausch für ökologisch besonders wertvolle Wiesen erhalten Landwirte Flächen, auf denen sie ohne weitreichende Beschränkungen – etwa bei der Düngung – wirtschaften können. Die Rücksichtnahme ist nötig, denn Bergwiesen sind ein ganz besonderer Lebensraum. Die für sie typischen Lebensgemeinschaften finden sich erst in einem Höhenklima ab etwa 550 Metern zusammen. Geprägt von rauerem Klima, mehr Niederschlag und kürzeren Vegetationsperioden als in niedrigeren Lagen blühen auf den nährstoffarmen Böden im hochgelegenen Lebensraum Schwarze Teufelskralle und Weicher Pippau buchstäblich auf. An den etwas nährstoffreicheren Standorten bestimmt häufig der violett blühende Wald-Storchschnabel das Landschaftsbild. Auf den Mittelgebirgs-Lebensraum spezialisierte Schmetterlinge wie der Dukaten-Feuerfalter, der Lilagold-Feuerfalter und das Ampfer-Grünwidderchen sind die typischen Vertreter der montanen Insektenwelt.

Um den Dukaten-Feuerfalter – das Maskottchen des von der EU geförderten LIFE-Projekts zur Erhaltung der Bergwiesen in der Region –  zu Gesicht zu bekommen, müssen sich Besucher und Besucherinnen im Juli und August auf den Weg nach Winterberg machen. Denn nur in diesem kurzen Zeitfenster flattern die oberseits goldorange schimmernden Schmetterlinge über die Wiesen. Der Dukaten-Feuerfalter ist ein echter Naturschatz der Region. Bundesweit wird er auf der Vorwarnliste bedrohter Arten geführt. Auf den Bergwiesen im Raum Winterberg hat die Art eine ihrer wichtigsten Rückzugsgebiete.

Steile Bergwiesenhänge, auf denen Natur und Wintersport sich miteinander arrangieren müssen, Reste von Bergheiden, ehemals als Acker genutzte Wiesenplateaus oder üppig-feuchtes Grünland entlang von Bachtälern: Bergwiesen können viele Gesichter haben. Gleichwie, die Zukunft der bedrohten Bergwiesen hängt untrenn-bar vom Fortbestand der Heuwirtschaft ab: Nur wenn die Wiesen erst spät in der Saison gemäht werden, haben die Samen Zeit zum Reifen. Und auch wenn die Ernte auf den nicht gedüngten Wiesen für die Landwirte buchstäblich magerer ausfällt als im oft nährstoffübersättigten Intensivgrünland, kann sie sich doch bezahlt machen: Das Bergwiesen-Heu aus dem Hochsauerland ist bei Pferdehaltern bis in die Niederlande als Delikatesse für die wertvollen Vierbeiner hoch geschätzt.

Thomas Krumenacker

Blickpunkt

Bergwiesen finden sich in Nordrhein-Westfalen nur in Eifel und Sauerland. Für Menschen eine Augenweide sind sie für spezialisierte Tier- und Pflanzenarten ein selten gewordener Lebensraum. Um die verbliebenen Bergwiesen in der Umgebung von Winterberg für Mensch und Natur zu sichern, stellte die NRW-Stiftung 34 Hektar Flächen zur Verfügung. Damit konnte auch ein Beitrag zum Erhalt der traditionellen Kulturlandschaft geleistet werden. Denn ihre Nutzung als bäuerliche Heuwiese ist der beste Schutz für Bergwiesen.
www.bergwiesen-winterberg.de