Engagierte Nachbarschaft – preisgekrönt

 

Utopiastadt im Mirker Bahnhof Wuppertal

Foto: Stefan Ziese

Ein Ort des Fortschritts und der Stadtentwicklung, der Nachbarschaft und der sozial aktiven Kunst, ein Kreativ- und Entwicklungsraum – so wurde die Wuppertaler Utopiastadt bei verschiedenen Preisverleihungen bereits gewürdigt. Jüngst ist nun eine ganz besondere Auszeichnung hinzugekommen: Im Rahmen des Engagementpreises NRW 2021 erhielten die Wuppertaler UtopieBegeisterten für ihren breit gefächerten und oft unkonventionellen ehrenamtlichen Einsatz den Sonderpreis der NRW-Stiftung. Dadurch ist der „Verein Utopiastadt e.V.“ zugleich für den Deutschen Engagementpreis 2022 nominiert.

Die Utopiastadt arbeitet im Hier und Jetzt, für die Beteiligten ist sie aber auch so etwas wie ein in die Zukunft gerichteter Gedankenraum, ein andauernder Gesellschaftskongress mit Ambitionen und Wirkung, wie sie selbst es nennen. Denn es geht ihnen prinzipiell um die Vernetzung von kreativ Tätigen mit dem Ziel, Veranstaltungen, Symposien und Dialoge zu organisieren und so gesellschaftspolitische Perspektiven zu diskutieren. Nun sind Fragen nach der Zukunft von Stadtquartieren oder nach den Bedingungen für nachhaltige urbane Produktion als solche natürlich eher abstrakt, doch die Utopiastadt stellt sie vor dem Hintergrund ganz konkreter, auf den Alltag bezogener Angebote und Programme. Die Palette reicht dabei vom Fahrradverleih über Gartenbau, Nähwerkstatt und Reparatur-Café bis hin zur Gebäudesanierung. Letzteres vor allem deshalb, weil die Initiative ihren Standort im alten Fachwerkbahnhof Mirke hat, einem historischen Gebäude an der 1879 eröffneten Wuppertaler Nordbahn.

Ideencampus

Die Nordbahn wurde 1991 stillgelegt, die Gleisanlagen existieren heute nicht mehr. Dafür hat sich die „Nordbahntrasse“ aber in einen 22 Kilometer langen Rad- und Wanderweg verwandelt, an dem der – kostenlose – Fahrradverleih besonderen Sinn macht. Ein Anziehungspunkt nicht nur für Radelnde ist darüber hinaus die Gaststätte Hutmacher, die im Bahnhofsgebäude betrieben wird. Dieses Gebäude mit dem noch erhaltenen „Wartesaal I. Klasse“ steht seit 1987 unter Denkmalschutz. Es vor dem Verfall zu retten, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des 2011 gestarteten Projekts Utopiastadt, in dem sich im Laufe der Zeit über zweihundert ehrenamtlich tätige Menschen zusammengefunden haben. Das Bahnhofsgebäude wurde ihnen von der Sparkasse Wuppertal überlassen. Es bietet mit seinem nach und nach erheblich erweiterten Außengelände Anlaufpunkte, Räume und Aktionsflächen für unterschiedliche Nachbarschafts-, Quartiers- und Ehrenamtsinitiativen – die Utopiastadt hat sich in den letzten Jahren immer mehr in Richtung eines Campus entwickelt, wissenschaftlich begleitet vom Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit (TransZent) der Bergischen Universität Wuppertal.

Das ambitionierte Vorhaben in Wuppertal-Elberfeld findet seit Langem überregionale Beachtung, sogar die ARD-Tagesthemen berichteten schon. Die Initialzündung für das Experiment Utopiastadt ging von Beate Barbara Blaschczok und Christian Hampe aus, die beide die in Schwerte ansässige Ruhrakademie für Kommunikation, Design, Kunst und Medien absolviert haben. Drei Jahre nach dem offiziellen Start der Initiative wurde 2014 mit der Gründung des „Vereins Utopiastadt e.V.“ ein weiterer entscheidender Schritt getan. Der Förderverein ist der einzige Gesellschafter der gemeinnützigen GmbH Utopiastadt, und er war es auch, dem der Sonderpreis der NRW-Stiftung überreicht wurde – zunächst pandemiebedingt virtuell bei einer Online-Veranstaltung im Düsseldorfer Haus der Stiftungen, später mit noch mehr Vergnügen konkret vor Ort am Mirker Bahnhof.

Text: Ralf J. Günther

Jubel im Kreislauf der Utopien

Was bedeutet der Sonderpreis der NRW-Stiftung beim Engagementpreis NRW 2021 für das Projekt im Mirker Bahnhof? So haben Amanda Steinborn und David J. Becher vom „Verein Utopiastadt e.V.“ reagiert:

„Bei der Preisverleihung des Sonderpreises der NRW-Stiftung waren wir erst ziemlich baff – und haben dann kräftig gejubelt! Damit hatten wir nicht gerechnet. Die NRW-Stiftung unterstützt uns ja bereits kräftig bei dem Vorhaben, unser Hauptgebäude zu sanieren, und wir freuen uns umso mehr, dass wir jetzt auch eine ganz explizite Anerkennung des Ehrenamtes bekommen haben, welches eben nicht nur in der Sanierung steckt, sondern das Rückgrat der gesamten Utopiastadt ist: Kultur-veranstaltungen gegen selbst gewählten Eintritt (unser „Only-Hut“ Prinzip), Urban-Gardening-Flächen, der Fahrradverleih, der Aufbau einer größeren Gemeinschaftswerkstatt, Reparaturcafés, offene Daten… – all das geht nur, weil so viele Menschen aus dem Quartier und der Stadt hier vor Ort aktiv sind und Herz, Hand, Kopf und zum Teil eben auch sehr viel ihrer Freizeit an Utopiastadt hängen.

Das zu würdigen und die Engagierten bei ihren Herzensprojekten zu unterstützen, dabei hilft uns auch das Preisgeld der NRW-Stiftung, welches nun direkt den Ehrenamtlichen zur Verfügung steht. Zum Beispiel zur Beschaffung von dringend benötigtem Material oder Gerätschaften, was dann wieder allen zur Verfügung steht. Als Kreislauf für Utopien.“

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung hat den Verein „Utopiastadt e.V.“ bei Maßnahmen zur Substanzerhaltung und zur Barrierefreiheit des denkmalgeschützten Wartesaals im historischen Mirker Bahnhof in Wuppertal gefördert. Beim NRW-Engagementpreis 2021, dessen Motto „Engagierte Nachbarschaft“ lautete, erhielt der Verein den Sonderpreis der Nordrhein-Westfalen-Stiftung. Schon im Jahr 2020 war die Utopiastadt Landessiegerin beim „Deutschen Nachbarschaftspreis“ gewesen. www.utopiastadt.eu