Frauen für Vogelschutz:
Die Kampagne gegen Federhüte

Reihe: Aus dem Archiv für Naturschutzgeschichte

Naturschutz ist „in“ – neu ist er nicht. Seit fast zweihundert Jahren engagieren sich in Deutschland Menschen, Verbände und Institutionen für den Schutz unserer Umwelt. Die Stiftung Naturschutzgeschichte hat es sich zur Aufgabe gemacht, das lebendige Gedächtnis dieser Bewegung zu sein. Neben einem von der NRW-Stiftung geförderten Museum unterhält die Stiftung auf Schloss Drachenburg in Königswinter ein umfangreiches Naturschutzarchiv. Wir stellen heute und in den kommenden Ausgaben einige besonders bemerkenswerte Fundstücke daraus vor. Den Anfang macht die erstaunlich modern anmutende Bewegung gegen den Federschmuck auf Damenhüten zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Promis, Proteste, Petitionen: Die Mittel, mit denen sich Menschen schon vor mehr als 100 Jahren für Naturschutz eingesetzt haben, wirken aus heutiger Sicht überraschend aktuell. Brennpunkt der damaligen Auseinandersetzung war der Kampf gegen den Federschmuck auf Damenhüten. In der Zeit nach 1910 trugen die Damen der sogenannten besseren Gesellschaft gerne voluminöse, mit Federn geschmückte Hüte. Für diese „Modetorheit“, wie ihre Gegnerinnen und Gegner es nannten, starben alle Vogelarten, derer Vogeljäger habhaft werden konnten: Schwalben, Adler, Pelikane; sie alle mussten zu Hunderttausen-den ihre Federn lassen. Teilweise wurden sogar ganze Vogelkörper präpariert als Hutschmuck getragen.

Das Phänomen war nicht auf Deutschland beschränkt, in vielen europäischen Ländern entwickelten sich – ständig befeuert vom Nachschub aus den Kolonien – regelrechte Märkte. Selbst an den großen Börsenplätzen wie Paris und London wurden Federn als begehrtes Rohmaterial gehandelt. Doch in einer Zeit, in der viele Menschen bereits ihre Stimme für Tierrechte, gegen Tierquälerei und für Vegetarismus erhoben, formierte sich auch der Widerstand gegen die umstrittene Hutmode. „Der Kampf gegen die Federmode entwickelte sich bald zur größten und öffentlichkeitswirksamsten Kampagne der jungen Naturschutzbewegung“, schreibt die Gießener Umwelthistorikerin Anna-Katharina Wöbse.

Vorangetrieben wurde die Kampagne vor allem durch den 1899 gegründeten „Bund für Vogelschutz“ – den Vorläufer des heutigen Naturschutzbundes NABU. Unter seiner Gründungsvorsitzenden Lina Hähnle entspann sich eine Kampagne, die moderne Züge trug und in der sich viele auch heute in der Öffentlichkeitsarbeit gern genutzte Elemente wie Personalisierung, Emotionalisierung und Prominentisierung finden. So gewann Hähnle Showgrößen der damaligen Zeit wie Tilla Durieux und Fritzi Massary für ihren Kampf. Der durch sein reich bebildertes Buch „Mit Blitzlicht und Büchse“ bekannt und populär gewordene Großwildjäger und Fotograf Carl Georg Schillings entwickelte sich als kenntnisreicher geläuterter „Kronzeuge“ gegen die Ausbeutung der Natur sogar zu einer charismatischen Galionsfigur der Bewegung.
 
Auch den Opfern wurde durch die Kampagnen-Macherinnen ein Gesicht gegeben, um Emotionen zu wecken – eine weitere Zutat einer guten Kampagne. Mit dem Silberreiher – damals als Edelreiher bezeichnet – und dem Paradiesvogel wurden dazu zwei besonders spektakuläre und anmutige Wappenvögel für den Feldzug gegen den Hutschmuck ausgewählt. Zimperlich war der Umgang mit Federträgerinnen nicht. „Es rührt sie nicht, daß an dem großen Töten / Mitschuld’ge sie und Helfershelfer sind / Sie kennen kein Erbarmen, kein Erröten / Die Mode wills und sie gehorchen blind“, heißt es in einer Erklärung des Bundes für Vogelschutz aus dem Jahr 1914.

Frauenbewegung für Vogelschutz

Die Kampagne wurde auch von der aufkommenden Frauenbewegung unterstützt. „Denkende Frauen, die Ihr das Stimmrecht fordert, Ihr müßt solche Modetorheiten ablehnen und bekämpfen“, hieß es in einem Flugblatt des Bayerischen Vereins für Frauenstimmrecht. „Deshalb fort mit jeder Art von Federschmuck, Vogelleichen oder -leichenteilen, die bisher Eure Hüte schändeten.“

Die Kampagnenmacher setzten auch auf die Macht der Verbraucherinnen. Geschaltete Anzeigen und Plakate setzten hier an. Politisch wurde der Druck über eine Petition verstärkt. In dieser „Verzichtserklärung“ bekannten sich die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, dazu „von jetzt an keine Reiher-, Paradiesvogel- und ähnliche Federn mehr zu tragen“. Viele Prominente aus Adel, Kultur und Politik unterzeichneten die Petition – sogar der damalige US-Präsident Woodrow Wilson.

Die Kampagne erzielte 1914 mit dem Erlass eines mehrjährigen Jagdverbots auf Vögel in der damaligen deutschen Kolonie Kaiser-Wilhelms-Land (Papua-Neuguinea) einen Teilerfolg. „Als das Thema nach dem Ersten Weltkrieg von der politischen Agenda verschwand, hatte sich der Naturschutz jedenfalls mit Hilfe der schillernden Federn des Paradiesvogels und des weißen Gefieders des Edelreihers profiliert und zu einer gesellschaftlichen Kraft gemausert“, bilanziert Forscherin Wöbse.

Text: Thomas Krumenacker