Ein Jubiläum voll Licht und Farbe

Glasmalerei Linnich

Foto: DGML/Stefan Johnen

Foto: DGML/Stefan Johnen

Das Deutsche Glasmalerei-Museum in Linnich nimmt in der Bundesrepublik eine Sonderstellung ein, ist aber zugleich Teil eines Netzwerks von sieben Schauplätzen gläserner Kulturgeschichte in NRW. Das Spezialmuseum für Flachglasmalerei konnte jüngst sein 25-jähriges Jubiläum feiern, wobei sein Standort im rheinischen Linnich kein Zufall ist: In der kleinen Stadt zwischen Aachen und Mönchengladbach lässt sich die Kunst der lichtdurchfluteten Farben nicht nur in Ausstellungsräumen bewundern, sie wird hier von der ältesten Glasmalereiwerkstatt Deutschlands bis heute aktiv gepflegt.

Moderne durchsichtige Fenster sind für das Auge ein „verkörpertes Nichts“, eine „luftdichte Leere“. So formulierte es – schon vor über 130 Jahren – der Glasexperte Heinrich Oidtmann. Dass die pure Transparenz im Alltag ihre Vorteile hat, steht außer Frage, doch als künstlerisch gestaltete Fläche soll Glas für den Blick nicht unsichtbar sein, sondern selbst zum Blickfang werden. Welcher Glanz sich dabei entfalten kann, beweist nicht zuletzt eine ganze Galerie farbiger Fensterkunst im Eigentum der NRW-Stiftung: Die historische Verglasung des 1882 — 84 im Siebengebirge erbauten Schlosses Drachenburg wurde zwar im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, konnte aber dank großzügiger Spenden mittlerweile nach Originalvorlagen in all ihrer Pracht wiederhergestellt werden.

Schwarzlot und Schmelzfarben

Die historistische Glasmalerei der Drachenburg ist die vergleichsweise junge Verkörperung einer Kunstgattung, deren erster Höhepunkt in die Epoche der Gotik fiel. Zwar kennzeichnen die Begriffe „gotisch“ oder gar „gothic“ in der Populärkultur eher schauerliche Düsternis, doch als die Architekturgeschichte im 12. Jahrhundert ausgehend von Frankreich ganz neue Wege einschlug, da scheuten die damaligen Baumeister das Licht keineswegs. Im Gegenteil: Indem sie die bis dahin üblichen massiven Wandflächen, die nur kleine Fensteröffnungen erlaubten, zugunsten einer Art Skelettbauweise aufgaben, schufen sie die Voraussetzungen für leuchtende Glasflächen von beeindruckenden Dimensionen – so wie an der Westfassade des Altenberger Doms etwa zwanzig Kilometer nordöstlich von Köln, wo um 1400 eine der größten Fensterflächen des Mittelalters entstand.

Das Linnicher Museum erzählt die Geschichte der Glasmalerei zunächst anhand qualitätsvoller Kopien mittelalterlicher Kirchenfenster, die der Künstler Fritz Geiges im 19. und frühen 20. Jahrhundert anfertigte und die mithilfe der NRW-Stiftung restauriert worden sind. Hier lässt sich das mittelalterliche Verfahren erkennen, durchgefärbte Glasteile unterschiedlicher Tönung mittels Bleistegen mosaikartig aneinanderzufügen und um Konturzeichnungen zu ergänzen, für die man das sogenannte Schwarzlot verwendete. Erst im 16. Jahrhundert kamen Schmelzfarben auf, mit denen sich beim Malen auf Glasscheiben sogar die feinen Strukturen von Textilien oder Pelzen nachahmen ließen. In Linnich werden die vielfältigen handwerklichen Aspekte der Glasmalerei umfassend veranschaulicht, die Herstellung von Flachglas ebenso wie Zuschnitt, Bemalung, Brand, Verbleiung, Konservierung und Restaurierung, aber auch Vorlagenkartons in Originalgröße als Ergebnisse des kreativen Prozesses.

Stele der Toleranz

Seit fast dreißig Jahren gibt es die „Stele der Toleranz“. Das ursprünglich einmal geplante sechzig Meter hohe Mahnmal bei Wiesbaden konnte zwar bis heute nicht realisiert werden, dafür stehen inzwischen aber mehr als zwanzig kleinere Varianten – etwa sechs Meter hoch – in acht verschiedenen Ländern von Israel bis Estland. Der Glaskünstler Karl Martin Hartmann hat die Stelen als universelles Symbol der Toleranz entworfen und damit ein Projekt ins Leben gerufen, dessen Schirmherrschaft vom Europäischen Parlament übernommen wurde.

Zum 25. Jubiläum des Deutschen Glasmalerei-Museums wurde im November 2022 auch in Linnich eins der charakteristischen roten Objekte eingeweiht. Es ist die erste beleuchtete Version und das erste Exemplar auf NRW-Boden. Die Inschrift  lautet „Glasmalerei – Lichtbilder sind Hoffnungsbilder“. Das Museum sieht die Stele als zusätzlichen Ansporn für grenzübergreifende Kooperationskonzepte, insbesondere mit Jugendlichen.

www.netzwerk-toleranz.de

Moderne Kunst

Ende 1997 öffnete das von der „Stiftung Deutsches Glasmalerei-Museum“ getragene und von einem aktiven Förderverein unterstützte Museum seine Pforten. Schwerpunktmäßig widmet es sich Werken der Moderne und der Gegenwart, zum Beispiel von Anton Wendling, Wilhelm Teuwen, Georg Meistermann, Ludwig Schaffrath und Jochem Poensgen. Auch die großformatige Arbeit „Kosovo“ von Markus Lüpertz ist zu sehen. Besondere Beachtung verdient Johan Thorn Prikker (1868 —1932), der lange im Rheinland lebte und lehrte und vor über hundert Jahren zu einer Erneuerung der Glasmalerei im Sinne der mittelalterlichen Mosaiktechnik beitrug.

Das Museum ist in einem umgebauten, von Licht erfüllten und mittlerweile barrierefreien ehemaligen Mühlenwerk untergebracht. Von Anfang an wurde es von der NRW-Stiftung durch den Ankauf der Sammlung Oidtmann unterstützt. Die Firma „Glasmalerei Dr. Oidtmann“ ist in Linnich schon seit 1857 ansässig. Der eingangs zitierte Heinrich Oidtmann war der Sohn und Erbe des Firmengründers, er verfasste zudem zahlreiche Publikationen zur Technik, Ästhetik und Geschichte der Glasmalerei. Sein Anliegen, das Thema dem breiten Publikum zu erschließen, wird vom Museum heute zusätzlich zur Ausstellungstätigkeit in Form von Workshops und Veranstaltungen weitergeführt. Bei Bedarf macht das Museumsteam sogar mobil und bietet Kunstvermittlung für Kindergärten, Schulen und Betreuungseinrichtungen direkt vor Ort an.

Text: Ralf J. Günther

Gläsernes NRW

Das Deutsche Glasmalerei-Museum gehört zu einem Verbund von sieben Museen, die sich in NRW ganz oder in Teilbereichen dem Thema „Glas“ widmen. Das Spektrum reicht dabei von der Antike bis zur Gegenwart. Vertreten im Rheinland sind außer Linnich: das Glasmuseum Rheinbach, das LVR-LandesMuseum Bonn, das Römisch-Germanische Museum Köln sowie das Glasmuseum Hentrich in Düsseldorf. In Westfalen kommen zwei weitere Standorte hinzu: das Glasmuseum Alter Hof Herding in Coesfeld sowie die Glashütte Gernheim des LWL-Industriemuseums. In NRW gibt es zudem die „Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts“.

www.netzwerk-glas-kultur.de
www.glasmalerei-ev.net

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung unterstützte die Gründung des Deutschen Glasmalerei-Museums durch Erwerb der Sammlung Oidtmann. Sie half beim Ankauf weiterer Exponate, bei Restaurierungen und bei Maßnahmen zur Barrierefreiheit. Das Museum zeigte zum Jubiläum eine Sonderausstellung. Der Katalog „Glanzlichter einer bedeutenden Kunst“ hat die ISBN: 978-3-946278-06-1.
www.glasmalerei-museum.de