Neue Räume für jüdische Kultur und Geschichte

Jacob Pins Forum in Höxter

Foto: GfG/Michel Iffländer

Foto: GfG/Michel Iffländer

Jacob Pins war ein bedeutender deutsch-israelischer Maler, der 1917 in Höxter geboren wurde. Dort gibt es seit 2008 ein nach ihm benanntes Museum, das zugleich Gedenk- und Begegnungsstätte sowie Lern- und Veranstaltungsort ist. Untergebracht in einem ehemaligen Adelssitz aus der Zeit der Weserrenaissance bündelt das „Jacob Pins Forum im Adelshof Heisterman von Ziehlberg“ historische und kulturelle Perspektiven, die trotz ihres lokalen Bezugs nicht nur lokale Bedeutung haben. Zuletzt wurde der Ausstellungsbereich zur jüdischen Geschichte stark erweitert und völlig neu gestaltet.

Seine Kindheit und Jugend in Höxter hat Jacob Pins, dessen Geburtsname Otto Pins lautete, nie vergessen. Dabei war der Sohn eines Tierarztes schon 1936 im Alter von nur neunzehn Jahren nach Palästina geflohen, um sich vor der nationalsozialistischen Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Nach einigen Jahren im Kibbuz wurde er 1941 in Jerusalem Schüler des expressionistischen Malers Jacob Steinhardt und legte so die Grundlagen für eine eigene Künstlerkarriere. Pins stellte seine Gemälde, Holzschnitte und Grafiken unter anderem in London, New York, Chicago und Rio de Janeiro aus. Er war außerdem ein Kenner ostasiatischer Kunst und veröffentlichte 1982 ein Buch über sogenannte Pfostenbilder, schmale japanische Holzschnitte.

Wiederkehr und Erinnerung

1959 kehrte Pins erstmals nach Höxter zurück. Er sah sich anfangs auf einer Suche nach der verlorenen Jugend, erlebte aber tatsächlich eine Neuannäherung, die im Laufe der folgenden Jahrzehnte durch weitere Besuche vertieft wurde. Dabei kam es 1988 zu einem hochemotionalen Moment: Beim Gang durch eine Ausstellung mit dem Titel „Juden in Höxter“ entdeckte Pins auf einem Foto von 1941 seinen Vater: Das auf dem Verladebahnhof Bielefeld aufgenommene Bild zeigte eine Deportation nach Riga. Pins kommentierte das später so: „Als ich das sah auf dieser Ausstellung, war ich ungeheuer bewegt, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie.“

Im Jahr 2002, drei Jahre vor seinem Tod, überließ der Künstler einen großen Teil seiner Werke der Stadt Höxter und widmete diese Stiftung dem Andenken an seine im Rigaer Getto ermordeten Eltern. Schon ein Jahr später gründete sich die gemeinnützige Jacob Pins Gesellschaft, die mit dem historischen Adelshof Heisterman von Ziehlberg einen würdigen Ausstellungsstandort fand. Für den Komplex aus drei Fachwerkgebäuden des 16. und 17. Jahrhunderts, der einst von den weltlichen Kanzlern des Klosters Corvey genutzt worden war, bedeutete dies die dringende, jedoch auch aufwendige Erlösung aus einer langen Phase bedrohlichen Leerstands.

Real und digital

Das Jacob Pins Forum zeigt nicht nur Kunst, sondern dokumentiert darüber hinaus die jahrhundertelange, vom NS-Terror grausam abgeschnittene Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Höxter. Musste das Museum bei diesem Thema lange mit wenig Fläche auskommen, so hat sich das seit Mai 2022 geändert. Insgesamt stehen nun drei Räume im Obergeschoss des Adelshofes zur Verfügung, in denen das jüdische Leben in Höxter beleuchtet wird. Hinzuzählen muss man den weiten virtuellen Raum, denn die neue Ausstellung setzt neben Originalexponaten stark auf digitale Vermittlung. So lassen sich auf einem Medientisch unter anderem die Flucht- und Deportationswege verfolgter Familien nachvoll­ziehen. Da das Forum nicht zuletzt ein außerschulischer Lernort für junge Menschen sein möchte, war die Einbeziehung moderner Vermittlungsformen überfällig. In einem zweiten Teil beantwortet die Ausstellung allgemeine Fragen zur jüdischen Kultur, etwa zu Festen oder Speisegesetzen.

Die jüngste Umgestaltung, bei der die Ausstellung über Jacob Pins ebenfalls multimedial aktualisiert wurde, war für das Forum der größte Kraftakt seit der Eröffnung. Die NRW-Stiftung, die das Vorhaben maßgeblich förderte, unterstützte damit erneut das ehrenamtliche Engagement der Jacob Pins Gesellschaft, zu deren mehr als dreihundert Mitgliedern auch Fritz Ostkämper gehört. Seine Forschungen zur jüdischen Geschichte bilden eine Säule der Museumstätigkeit. Der heute über Achtzigjährige war früher Lehrer am König-Wilhelm-Gymnasium in Höxter – der Schule, auf der Jacob Pins und viele andere jüdische Schüler einst lernten, bevor die Nazi-Diktatur das unmöglich machte.

Text: Ralf J. Günther

Leah, Höxter und Corvey

Westfalen als literarischer Schauplatz mit Bezug zum Judentum – vielen wird dabei die 1842 erschienene Erzählung „Die Judenbuche“ von Annette von Droste-Hülshoff einfallen. Nur wenige dürften hingegen die umfangreiche Novelle „Höxter und Corvey“ kennen, die der Dichter Wilhelm Raabe 1873 schrieb. Sie spielt in einer einzigen Nacht im Dezember 1673 und schildert, wie ein junger Rechtsstudent im Verein mit einem greisen Mönch aus Corvey hilft, die Juden in Höxter vor der Vertreibung durch aufgestachelte Christen zu bewahren. Dass eine Jüdin namens Leah bei dem Wüten getötet wird, vermögen die beiden nicht zu verhindern. Die Handlung ist fiktiv, spiegelt aber historische Konstellationen, darunter das spannungsgeladene, oft feindselige Verhältnis zwischen der Abtei Corvey und der ihr eigentlich unterstehenden Stadt Höxter (siehe Beitrag Die Wüstung und das Welterbe).

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung stellte der „Jacob Pins Gesellschaft – Kunstverein Höxter“ Mittel für die Neugestaltung der Ausstellungsräume zur Geschichte der Juden in Höxter zur Verfügung. Schon früher wurde die Einrichtung des Forums Jacob Pins in einem Teil des historischen Adelshofes Heisterman von Ziehlberg von der NRW-Stiftung gefördert. www.jacob-pins.de