Probefahrt mit Donnerbüchse

Wupperschiene und Öhder Brücke in Wuppertal

Foto: Förderverein Wupperschiene e. V.

Foto: Förderverein Wupperschiene e. V.

Am 17. Februar 2023 rollte im Bahnhof Wuppertal-Beyenburg erstmals nach 25 Jahren wieder ein Zug ein. Er bestand nur aus Lok und zwei Waggons, einer davon eine „Donnerbüchse“ – ein Personenwagen aus den 1920er Jahren, dessen dröhnende Geräuschentwicklung seinen Spitznamen erklärt. Doch so klein der Zug, so groß die Begeisterung: Mit der erfolgreichen Probefahrt ist die historische Eisenbahnstrecke „Wupperschiene“ endgültig wieder zum Leben erwacht. Ein wichtiger Zwischenschritt auf dem jahrzehntelangen Weg zu diesem Ziel war die Sanierung der Öhder Brücke, die seit 1895 auf heutigem Wuppertaler Stadtgebiet steht.

Die „Wupperschiene“ ist ein rund vierzehn Kilometer langer Abschnitt der ehemaligen Wuppertalbahn, deren erstes Teilstück 1886 eröffnet wurde. Zu ihren aktivsten Zeiten stellte die Linie eine durchgehende Verbindung von Remscheid-Lennep nach Wuppertal-Rauenthal her, doch bereits in den 1950er Jahren begann die Zeit der Betriebseinschränkungen und Stilllegungen. Als einige Verbindungspunkte wie der Bahnhof Krebsöge 1986 sogar in den Fluten der Wuppertalsperre versanken, schien nach genau hundert Jahren buchstäblich die Endstation für die einstmals so wichtige Zugstrecke erreicht zu sein. Schien – denn der 1989 gegründete „Förderverein Wupperschiene“, der seit 2001 mit dem Verein „Bergische Bahnen“ zusammengeschlossen ist, sah sich mit seinem Engagement keineswegs auf einem toten Gleis. Unterstützt durch viele Spenden machte er sich vielmehr daran, das Eigentum an der denkmalgeschützten Wupperschiene zu erwerben, um so die Voraussetzungen für einen Museumsverkehr mit regionaltypischen Fahrzeugen zu schaffen.

Eisernes Rückgrat

Das Engagement der Vereinsmitglieder galt nicht irgendeiner Zugstrecke. Es ging ihnen vielmehr um das „eiserne Rückgrat“, auf dessen Verkehrsleistung die Textil-, Stahl- und Papierfabriken im Tal der Wupper einst angewiesen waren. Noch heute berührt die landschaftlich reizvolle Gleislinie mit ihren alten Viadukten und Stützmauern so außergewöhnliche Industriedenkmäler wie die von der NRW-Stiftung geförderte Textilstadt Wülfing in Dahlerau. In der ehemaligen Fabrik, die in ihrer Tallage eine Welt für sich ist, vermittelt heute ein authentisches Museum spannende Einblicke in die Produktion hochwertiger Tuche. Hier fand jüngst aber auch die Gedenkstunde für ein tragisches Unglück statt, das beim Rückblick auf die Eisenbahngeschichte des Wuppertals nicht vergessen werden darf (siehe Kasten).

Die aktuell betriebsfähige Strecke der Wupperschiene führt über Beyenburg und Dahlhausen bis nach Radevormwald-Wilhelmstal. Schon seit 2008 kann man per Fahrraddraisine von Beyenburg nach Radevormwald strampeln – auch dieses beliebte touristische Angebot geht auf die Vereinsarbeit in Kooperation mit dem Draisinen-Verein WTR zurück. Echte Eisenbahnträume erfüllen sich aber erst, wenn Lokomotiven rollen, weshalb die eingangs erwähnte Probefahrt von Oberbarmen nach Beyenburg zur lange ersehnten Sternstunde für die Wupperschiene wurde. Ein gesicherter Betrieb auf der Museumsstrecke, für den schon vor Jahren die Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE) als Kooperationspartnerin gewonnen werden konnte, ist damit in unmittelbare Nähe gerückt.

Erfolgreich überbrückt

Voraussetzung für die Verbindung von Beyenburg nach Oberbarmen – und damit zum DB-Netz – war die von der NRW-Stiftung geförderte Sanierung der Öhder Brücke, eines denkmal­geschützten Eisenbahnviadukts, das man nicht mit der gleichnamigen Wuppertalquerung der Autobahn A1 verwechseln darf. Die stählerne Bogenbrücke von 1895 hatte schon seit den 1950er Jahren keine durchgreifende Erneuerung mehr erlebt, umso größer die Herausforderung, siebzig Jahre später eine denkmalgerechte Sanierung ohne optische Veränderungen des Bauwerks durchzuführen. Viele Arbeiten konnten dabei nur von Fachfirmen geleistet werden, doch erbrachte der Verein daneben erhebliche Eigenleistungen, unter anderem beim Einpassen von Abdeckblechen. Mit über neunzig neuen Brückenschwellen, frischen Gleisen, großflächigem Korrosionsschutz und vielen anderen Maßnahmen hat die Wupperschiene in Öhde eine besonders schwierige Hürde erfolgreich überwunden, pardon: überbrückt.

Text: Ralf J. Günther

Erinnerung an ein Zugunglück

Am 27. Mai 1971 stieß auf der eingleisigen Wuppertalbahn bei Dahlerau ein Güterzug mit einem Schienenbus zusammen. 46 Menschen kamen damals ums Leben, die meisten davon Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule in Radevormwald, die auf Klassenfahrt gewesen waren. Sie wurden Opfer des größten Zugunglücks in der Ära der Deutschen Bundesbahn (die ICE-Katastrophe von Eschede, die 1998 sogar 101 Mensch-leben forderte, fiel in die Zeit der Deutschen Bahn AG). Direkt an der Unfallstelle bei Dahlerau hat der Verein Wupperschiene, dem der Streckenabschnitt heute gehört, zum 50. Jahrestag des Geschehens ein Kreuz samt Erinnerungstafel errichtet. Im Februar 2023 wurde oberhalb des Unfallorts zusätzlich eine leichter zugängliche, von der DB finanzierte Erinnerungsstätte auf städtischem Boden eingeweiht. An der Gedenkstunde in der Textilstadt Wülfing nahm mit der seinerzeit erst vierzehn Jahre alten Monika Zierden auch eine Überlebende des Unglücks teil.

Blickpunkt

Der Verein „Wupperschiene“ erhielt von der NRW-Stiftung einen finanziellen Zuschuss für die denkmalgerechte Sanierung der Eisenbahnbrücke Öhde in Wuppertal. Davon profitiert mittelbar auch die von der Stiftung ebenfalls geförderte Textilstadt Wülfing, an der die historische Strecke vorbeiführt. Die enge Verbindung von Verkehrs- und Industriegeschichte im Tal der Wupper wird so in besonderer Weise anschaulich. www.wupperschiene.eu