Ein Schmetterlings-Sommer im Rhein-Sieg-Kreis

 

Artenschutz: Aktuelles zum Wiesenknopf

Foto: Steffen Steenken

Das exklusiv von der NRW-Stiftung geförderte Projekt zur Rettung einer der seltensten Schmetterlingsarten in NRW blickt auf eine erfolgreiche Saison zurück. Auf den Bläulingswiesen-Flächen wuchsen zahlreiche Dunkle und Helle Wiesenknopf-Ameisenbläulinge heran – und auf einer neu für das Projekt eingerichteten Fläche konnte erstmals überhaupt wieder Nachwuchs festgestellt werden. Damit es mit den kleinen Tagfaltern weiter bergauf geht, stellt die NRW-Stiftung vier weitere Flächen zur Verfügung.

Rekordjahr für den Wiesenknopf-Ameisenbläuling: So viele der seltenen Schmetterlinge wie seit Jahren nicht mehr konnten die Mitarbeiter des Artenschutzprogramms für die bedrohte Tierart in diesem Sommer auf den Projektflächen zählen. Gegenüber dem Vorjahr dürfte sich der Bestand von Hellem und Dunklem Wiesenknopf-Ameisenbläuling im Projektgebiet im Rhein-Sieg-Kreis sogar verdoppelt haben. Bis zu 160 Dunkle und bis zu 50 Helle Wiesenknopf-Ameisenbläulinge konnte der Koordinator des Bläulingswiesen-Projekts Steffen Steenken an Spitzentagen im Juli und Anfang August auf den Hauptflächen zählen. „Das ist schon ein gewaltiger Sprung“, freut sich der Schmetterlingsschützer.

Der kleine Schmetterlings-Boom war allerdings auch dringend nötig. Denn im vergangenen Jahr waren die Bestände der kleinen bräunlich-bläulich gefärbten Tagfalter auf den rund 70 Monitoring-Flächen von insgesamt rund 50 Hektar Größe deutlich zurückgegangen.

„Ein bisschen haben wir darauf gehofft und ein wenig auch damit gerechnet“, erzählt Steenken. Denn nach mehreren sehr trockenen Jahren war das vergangene Jahr recht nass. Damit boten sich optimale Bedingungen für die neben dem Großen Wiesenknopf mit seinen auffällig dunkelroten Blütenständen zweiten überlebenswichtigen Helfer der Falter: die Knotenameisen. Viele Flächen konnten wegen des sattnassen Bodens nicht gemäht werden, und in den so entstanden hochwüchsigen nassen Wiesen fühlen sich die Ameisen richtig wohl. Das wiederum führte dazu, dass auch die in den Ameisen-Bauten heranwachsenden Bläulings-Larven in großer Zahl Winter und Frühjahr überstanden haben.

Günstiges Wetter, viele Blüten des Wiesenknopfs und zufriedene Ameisen – für den Erfolg einer Bläulings-Saison muss alles passen. Das Wetter liegt zwar nicht in der Hand der Schmetterlingsschützer. Das Management der Flächen allerdings schon. Und nur mit einem ausgeklügelten Bewirtschaftungskonzept der Wiesen lassen sich die vielen unterschiedlichen Lebenraumansprüche der kleinen Falter unter einen Hut bringen.

Zentral dabei ist das Mahd-Konzept. Bläulings-Wiesen müssen gemäht werden, damit sie nicht verbuschen. Allerdings darf das Mähwerk nur im Frühjahr und im Spätsommer anrücken: Vor der Flugzeit der Schmetterlinge von Ende Juni bis Anfang August muss mindestens ein Monat Ruhe herrschen, damit der Wiesenknopf genügend Blüten ausbilden kann, von deren Nektar sich die Schmetterlinge ernähren und in deren Blütenköpfchen die Falter das wertvollste Gut ihres kurzen Lebens ablegen, ihre Eier. Nach der Flugzeit muss wiederum mindestens ein Monat Mahd-Ruhe herrschen – solange, bis die Schmetterlings-Raupen groß genug sind, die Pflanzen zu verlassen und sich von den Wirtsameisen in ihren Bau bringen zu lassen. Mit den Praktiken der modernen Landwirtschaft lässt sich das alles nur schwer in Einklang bringen. Deshalb können die Bläulinge heute fast nur noch auf geschützten Flächen überleben. Werden sie aber geschaffen, wie im Bläulings-Projekt, sind Bläulings-Lebensräume aber auch wichtige Refugien für andere selten gewordene Pflanzen- und Tierarten der Kulturlandschaft. Orchideen, wie das Gefleckte Knabenkraut und die Kümmelblättrige Silge besiedeln die für den Wiesenknopf und die auf ihn spezialisierten Falter optimierten Lebensräume ebenso wie gefiederte Raritäten wie Neuntöter oder sogar das seltene Braunkehlchen.

Vier neue Bläulingsflächen gesichert

Damit die Falter sich in ihrem wichtigsten Vorkommensgebiet in NRW weiter ausbreiten können, hat die NRW-Stiftung gleich vier neue Flächen bei Ersdorf, Neukirchen und Rheinbach erworben, die nun optimal an die Ansprüche der Schmetterlinge angepasst werden sollen. Damit kommt das 2020 begonnene Vorhaben seinem Ziel einen Schritt näher, möglichst viele der bekannten besiedelten Flächen bläulingsgercht zu bewirtschaften. Dieses Mosaik aus vielen – auch relativ kleinflächigen – „Trittsteinbiotopen“ soll helfen, die oft voneinander isolierten Vorkommen der Falter miteinander zu vernetzen und der Art so möglichst flächendeckend wieder zu einer stabileren Population zu verhelfen.

Auch die Schmetterlinge selbst helfen dabei offenbar nach Kräften mit. Die Experten der Biologischen Station haben beobachtet, dass die Falter innerhalb von zwei Jahren Distanzen über mehr als 10 Kilometer über unwirtliche Gebiete wie Wald oder Maisfelder überwunden haben, um zu den artgerechten Blühwiesen zu gelangen. „Offiziell schaffen sie das gar nicht“, sagt der Schmetterlingsschützer augenzwinkernd mit Blick auf die Fachliteratur. Dort wird den Faltern maximal eine Distanz von 300 bis 400 Metern bescheinigt.

Text: Thomas Krumenacker

Blickpunkt

Seit 2020 fördert die NRW-Stiftung exklusiv das Artenschutzprogramm für den Dunklen und den Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Die zurückliegende Saison 2022 verlief dank intensiver Schutzmaßnahmen und des Erwerbs neuer Schmetterlings-Wiesen sehr erfolgreich: Mehr als 200 Falter beider Arten wurden von den Betreuern der Biologischen Station Rhein-Sieg erfasst. Das von der NRW-Stiftung mit fast 300.000 Euro geförderte Projekt wird im kommenden Jahr fortgesetzt.
www.biostation-rhein-sieg.de