Mehr als 150 Jahre nach seiner Ausrottung ist der Biber zurück in Nordrhein-Westfalen. Ausgehend von Wiederansiedlungen in der Eifel und am Niederrhein hat er sich in den vergangenen Jahren große Teile seines einstigen Lebensraums zurückerobert. Das Comeback des Bibers ist eine Erfolgsgschichte des Naturschutzes, die auch vielen anderen Arten hilft. Wo Konflikte auftreten, sind pragmatische Lösungen für eine harmonische Koexistenz gefragt.
Angenagte Bäume am Uferrand und imposante Burgen aus Zweigen und Stämmen: Die Rückkehr des Bibers an Seen, Bäche und Flüsse in Nordrhein-Westfalen ist vielerorts nicht zu übersehen. Begonnen hat das Comeback in den 1980er Jahren mit menschlicher Starthilfe. Auswilderungsprojekte in der Eifel und am Niederrhein legten den Grundstein dafür. Auch heute – fast ein halbes Jahrhundert später – liegt der Verbreitungsschwerpunkt des Bibers in NRW westlich des Rheins. Etwa 90 Prozent aller NRW-Biber leben hier. Aber auch an Lippe, Wupper, Sieg, Weser und entlang vieler kleiner Fließgewässer hat sich der strikt vegetarisch lebende Nager wieder etabliert – wenn auch in deutlich geringeren Siedlungsdichten als an Rhein und Eifel-Rur.
„Mittlerweile ist NRW wieder fast flächendeckend besiedelt“, sagt Lutz Dalbeck. Der stellvertretende Leiter der Biologischen Station Düren beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Europas größtem Nagetier. Den wichtigsten Grund dafür, dass sich Biber in NRW wieder wohl fühlen, sieht Dalbeck im Schutz vor menschlicher Verfolgung. Über Jahrhunderte hinweg wurden Biber massenhaft getötet, weil ihre Körperteile und selbst ihr Urin als medizinische Mittel gegen alle möglichen Krankheiten und Wehwehchen vermarktet werden konnten.
Helfer gegen Klimawandel und Naturverlust
Heute stehen Biber unter strengem Schutz. Und geschätzt werden sie nicht mehr wegen vermeintlicher Heilkräfte ihrer Körperteile, sondern wegen ihrer überragenden Rolle innerhalb des Lebensraums: Durch das Fällen von Bäumen und das Aufstauen von Fließgewässern mit Dämmen gestalten Biber nämlich ihren Lebensraum grundlegend um. Wissenschaftler bezeichnen sie deshalb als Ökosystem-Ingenieure. Die Dämme heben den Wasserstand an und verwandeln damit die Uferzonen und das umliegende Land in Feuchtgebiete. „Biber zeigen uns, wie groß eine Aue natürlicherweise ist“, sagt Dalbeck.
Obwohl der Biologe die Auswirkungen der Biber-Wiederbesiedlung auf Ökosysteme seit langem erforscht, kommt er immer noch ins Staunen. Die Bestände beispielsweise von Amphibien könnten sich verzehnfachen, wenn ein Biberteich entsteht. „Das deckt dann den Tisch für Weißstorch, Graureiher und Schwarzstorch“, nennt der Biologe ein Beispiel für sogenannte Kaskaden-Effekte auf eine Vielzahl von Arten. In einigen Tälern bilden sich dank des Biber-Wirkens sogar Schwingrasenmoore neu und bieten seltenen Libellen Lebensraum. „Wenn wir Biber machen lassen, renaturieren sie die Landschaft ohne, dass wir einen Finger krumm machen oder einen Cent investieren müssen.“
Neben der Renaturierung unterstützen Biber durch ihre unermüdliche Landschaftsgestaltung auch den Kampf gegen den Klimawandel. So federn die Biberdämme Hochwasserspitzen ab und erhöhen dafür den Wasserstand in trockenen Perioden. Und Biberdämme und -burgen lagern über das Holz große Mengen Kohlenstoff ein und verringern damit den Ausstoß von Treibhausgasen.
Biber-Boom noch lange nicht am Ende
Aktuell schätzt Dalbeck die Zahl der Biber in NRW auf 1.500 bis 2.000 Tiere. Angesichts von über 25.000 Bibern etwa in Bayern, sei noch Luft nach oben, sagt der Experte. „Das zehn- bis 20-fache ist locker drin.“ Das liegt auch an der Genügsamkeit der Tiere. Biber ernähren sich von Blättern, Knospen, Kräutern, Stauden und natürlich von Baumrinde. Ist dann noch ein mit von Bäumen umgebenes Gewässer in der Nähe, reicht es schon für ein Biberrevier. „Annähernd 100 Prozent des Landes sind bibertauglich, einschließlich der Innenstädte“, sagt Dalbeck.
Beim Vormarsch der Nager bleiben Konflikte nicht aus. Wo sie entstehen, etwa weil ein Biber im Arbeitseifer eine ganze Ortslage unter Wasser setzen will oder zu große landwirtschaftliche Flächen in Feuchtgebiete zurückverwandelt, suchen inzwischen in vielen Regionen Landnutzer sowie Wasser- und Naturschutzbehörden und Biologische Stationen nach Lösungen. Dies kann auch mal bedeuten, dass der Biber an einer Stelle weichen muss, wenn er im Gegenzug andernorts wirken darf. Ziel müsse ein Vorgehen sein, das landesweit die Chancen, die der Biber bietet, nutzt und gleich-zeitig lösungsorientiert mit Konflikten umgeht, fordert Dalbeck.
Biber unterstützen inzwischen auch auf vielen Flächen der NRW-Stiftung die Renaturierung. Ob an der Urdenbacher Kämpe nahe Düsseldorf oder in der Hellinghauser Mersch bei Lippstadt: Überall wirkt er eifrig an der Wiederherstellung natürlicher Auen mit. Seit kurzem ist er sogar an der Möhne wieder heimisch. Damit schließt sich ein Kreis. Denn dort war 1877 der letzte Biber auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen erlegt worden.
Text: Thomas Krumenacker
Blickpunkt
Die Rückkehr des Bibers ist eine Erfolgsgeschichte des Artenschutzes – und ein Glücksfall für die Natur und den natürlichen Klimaschutz. Denn die Tiere schaffen Lebensraum für viele Arten und sie helfen bei der Regulierung des Wasserkreislaufs in Zeiten des Klimawandels. Auch auf NRW-Stiftungsflächen sind die Nager inzwischen gut vertreten. Dass sie ihre eigenen Vorstellungen über das Landschaftsbild haben, konnte auch die NRW-Stiftung erleben. So setzten Biber kurzerhand eine zum Orchideenschutz gemanagte Stiftungswiese unter Wasser. Die Orchideen blühen nun auf einer Nachbarfläche und das neu geschaffene Feuchtgebiet bietet vielen anderen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum.