Gemeinsam für die Kulturlandschaft

Bildungshaus Modexen

Foto: Christiane Sasse

Foto: Christiane Sasse

In Ostwestfalen haben sich Landwirte, Jägerschaft und Naturschützer zusammengeschlossen, um gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft für Mensch und Natur in der Kulturlandschaft zu arbeiten. Seit Februar hat das von ihnen getragene Bildungshaus Modexen in Höxter seine Türen geöffnet. In Seminaren, Vorträgen und Schulungen sowie auf einem drei Hektar großen Außengelände geht es dort um alles, was mit Natur, Landwirtschaft und Jagd in der Region zusammenhängt.

Naturschutz, Landwirtschaft und Jagd finden in der dicht besiedelten Kulturlandschaft auf engstem Raum nebeneinander statt und sind auch inhaltlich eng miteinander verbunden. Entsprechend viele Berührungspunkte gibt es zwischen Menschen und Gruppen, die sich dem einen oder dem anderen verschrieben haben. Dass bei den unterschiedlichen Blickwinkeln der einzelnen Akteure Konflikte nicht immer ausbleiben, liegt auf der Hand. Ökolandbau oder konventionelle Landwirtschaft? Wie viel Erneuerbare Energien verträgt die Kulturlandschaft? Wie lassen sich der stetig steigende Kostendruck auf Landwirte und der Wunsch nach mehr Naturschutz unter einen Hut bringen? Wenn es um Lösungen für solche Herausforderungen geht, ist nach Überzeugung der Initiatorinnen und Initiatoren des Bildungshauses Modexen vor allem eines gefragt: Dialog. Wo andere übereinander sprechen, soll hier miteinander gesprochen werden, sollen Vorurteile in respektvollem und wertschätzendem Dialog abgebaut und gemeinsame Lösungen für bestehende Probleme und Konflikte bei der Nutzung der Kulturlandschaft gefunden werden – im Interesse von Mensch und Natur.

Geboren wurde die Idee für eine Partnerschaft und einen festen Ort des Austausches und der Wissensvermittlung aus unterschiedlichen Blickwinkeln schon vor einiger Zeit. 2018 wurde dann aus ehrenamtlicher Initiative des Kreisjagdverbandes, des landwirtschaftlichen Kreisverbandes, der Naturschutzverbände und -vereine sowie der für die Betreuung von Schutzgebieten zuständigen Landschaftsstation im Kreis Höxter der Trägerverein für ein eigenes Bildungshaus gegründet. Die Stadt Brakel steuerte kostenfrei ein Grundstück bei und 2020 wurde Richtfest auf der Baustelle in unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen Forsthaus und der Walderlebnisschule gefeiert. Nach einigen Verzögerungen durch die Corona-Pandemie war es im Februar 2023 schließlich soweit und das barrierefrei und einladend-transparent, mit viel Holz und Glas gestaltete Seminargebäude wurde offiziell eröffnet.

Modellprojekt für andere Regionen

Der Leitgedanke eines wertschätzenden und vom Verständnis für die unterschiedlichen Sichtweisen geprägten Umgangs zwischen den unterschiedlichen Akteuren spiegelt sich auch in der Struktur des Vereins mit drei gleichberechtigten Vorsitzenden aus Jagd, Landwirtschaft und Naturschutz wider. Auch im Rahmen des breitgefächerten Bildungsangebots werden Themen aus allen Blickwinkeln beleuchtet. Dazu gehören Diskussionen zwischen jungen Biolandwirtinnen und -landwirten mit konventionell wirtschaftenden Kolleginnen und Kollegen; die nicht immer unumstrittene Rückkehr von Wildtieren wie dem Biber ist ebenso ein Thema wie die Vorstellung neuer Wege in der Landnutzung durch Agroforstwirtschaft – dem Versuch, Land so zu nutzen, dass damit gleich mehrere gesellschaftliche Ziele erreicht werden können: Ernährungssicherung, Klimaschutz und Bewahrung und Förderung der Biodiversität.

Als feste Bestandteile des gemeinsam erarbeiteten Programms haben sich Naturerlebnis-Angebote an Kinder, Jugendliche und Erwachsene etabliert. Artkenntnisse verbessern, ökologische Zusammenhänge erkennen, die kulinarischen Schätze der heimischen Region kennenlernen und die kulturellen Traditionen am Leben erhalten: Kulturlandbildung kann sehr viele Gesichter haben, wie ein Blick in den Veranstaltungskalender des Bildungshauses zeigt. Ausdrücklich erhoffen sich die Initiatorinnen und Initiatoren, dass die im „Modell Modexen“ als Pilotprojekt erarbeiteten Konzepte für eine konstruktive Partnerschaft auch als Modell für andere Regionen dienen.

Freilandlabor hinter dem Haus

Wenn es um das Thema Natur und Land in all seinen Facetten geht, kann sich ein Angebot kaum ausschließlich in geschlossenen Räumen abspielen, seien sie auch noch so naturnah gebaut und transparent gestaltet wie in Modexen. Das haben sich auch die Träger des Bildungshauses gedacht und das rund drei Hektar große Außengelände als wichtigen Bestandteil in das Konzept zur Umweltbildung einbezogen.

Derzeit entsteht dort ein Wissensparcours zur Kulturlandschaft. An knapp einem Dutzend Stationen entlang des Weges werden charakteristische Elemente einer lebendigen Kulturlandschaft präsentiert. Streuobstwiesen, Teiche oder Hecken bieten nicht nur die Kulisse für einen entspannten Nachmittag im Grünen. Besucherinnen und Besucher erfahren hier künftig anhand konkreter Beispiele auch, wie wichtig eine große Diversität in der Landschaft ist, damit diese ihre „Dienstleistungen“ für Mensch und Natur weiter erbringen kann: gesunde Lebensmittel produzieren, eine artenreiche Tierwelt erhalten, Klimaschutz leisten und nicht zuletzt Erholung und psychisches Wohlbefinden für die Menschen schaffen. Beim Stopp an den einzelnen Stationen erfahren Besucherinnen und Besucher auch, wie Naturschutz, Landwirtschaft und Jagd die Schaffung und den Erhalt der einzelnen Landschaftselemente unterstützen – und welche Synergien daraus entstehen können.

Ab dem kommenden Jahr will das Bildungshaus mit einem weiteren Highlight aufwarten. Eine eigene Zuchtstation für stark gefährdete Amphibien soll dann nicht nur das Bildungsangebot bereichern, sondern auch einen ganz unmittelbar praktischen Beitrag zum Natur- und Artenschutz in Ostwestfalen-Lippe leisten. Amphibien zählen zu den ganz großen Verlierern der globalen Zwillingskrise aus Klimawandel und Biodiversitätsverlust. Auch in Deutschland weist die Rote Liste jede zweite Amphibienart als in ihrem Bestand gefährdet aus. Zunehmende Trockenheit, Intensivlandwirtschaft, aber auch eingeschleppte räuberische Tierarten und Pilzerkrankungen machen den kleinen Bewohnern feuchter Wiesen und Tümpel zu schaffen.

Mit der Zuchtstation sollen die verbliebenen Bestände von Gelbbauchunke, Geburtshelferkröte und Kreuzkröte in der Region stabilisiert werden, indem die in menschlicher Obhut gezüchteten Tiere nach strengen fachlichen Kriterien in geeigneten Lebensräumen angesiedelt werden. Davon erhoffen sich die Expertinnen und Experten die Wiederbesiedlung ehemals bewohnter Habitate oder Neuansiedlungen in geeigneten Gebieten. Im benachbarten Niedersachsen wird die Methode bereits im Rahmen eines EU-geförderten Naturschutzprojekts erfolgreich praktiziert. Natürlich sollen auch Besucherinnen und Besucher gemäß dem Modexener Grundsatz einer erlebnisorientierten Umweltbildung über Führungen und ein Schaugehege Gelegenheit bekommen, einen Blick hinter die Kulissen des zeitgemäßen Artenschutzes
zu werfen.

Text: Thomas Krumenacker

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung unterstützte den Neubau und die Einrichtung des Bildungshauses Modexen. Weitere Mittel für dieses Projekt kamen aus dem LEADER-Programm der Europäischen Union für den Kreis Höxter. Die NRW-Stiftung förderte zudem die Anlage eines Wissensparcours auf dem Gelände und die unmittelbar angrenzende „Arche“ für bedrohte Amphibien, eine Zuchtstation für die Gelbbauchunke, Geburtshelferkröte und Kreuzkröte.
www.bildungshaus-modexen.de