Die geheimnisvolle Welt der Tierspuren

Fährten, Siegel und Gewölle

Foto: blickwinkel / fotototo

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Jäger nutzen sie, um dem Wild auf die Schliche zu kommen, Wissenschaftler und Gutachter suchen nach ihnen, um seltene Arten zu schützen: Fuß- und Tatzenabdrücke, Kratz- und Federspuren oder auch Kot und Gewölle. Tierspuren sind allgegenwärtig und verraten die Anwesenheit der oft heimlichen Bewohner von Wäldern, Fluren und Städten. Manche Spur überdauert sogar ganze Erdzeitalter.

Was haben so unterschiedliche Tiere wie Wolf, Reh, Waldkauz und eine Wespe gemeinsam? Sie hinterlassen, wie ungezählte weitere Wildtiere auch Spuren. Keine Überraschung für die meisten Menschen bei Wolf, Fuchs oder Reh. Vom Wolf lassen sich seit einigen Jahren auch in Nordrhein-Westfalen mit viel Glück wieder handflächengroße Trittsiegel im Schnee oder lehmigem Boden ausmachen, und die länglichen und nach vorne spitz zulaufenden Doppelabdrücke von Rehen sind wohl den meisten Spaziergängerinnen und Spaziergängern schon einmal im feuchten Waldboden begegnet. Aber Waldkauz und Wespe? Ihre Anwesenheit zu erkennen, ist schon eher eine Angelegenheit für Kennerinnen und Kenner. Wie alle anderen Greifvögel (aber auch Reiher, Störche und selbst der Eisvogel), scheiden Waldkäuze einige Stunden nach dem Verzehr ihrer Mäuse-Beute die unverdaulichen Reste aus Knochen und Fell über Gewölle oder Speiballen wieder aus.

An regelmäßigen Ruheplätzen unter einem ruhigen Baum finden sich dann nicht selten Dutzende Gewölle. Ihre Analyse verrät, welche Eulenart erfolgreiche Beute gemacht hat und erlaubt zudem Rückschlüsse auf das Vorkommen der Beutetierarten. Grabwespen wiederum, wie der bekannte Bienenwolf, verraten ihre Anwesenheit durch kleine Löcher im sandigen Boden: Sie sind die Eingänge ihrer bis zu einem Meter langen Bauten. Verlassen sie diese, werden die Einfluglöcher oft sorgfältig wieder verschlossen, doch selbst diese Stellen finden geübte Insektenexperten anhand der Wischspuren: Spuren also wohin man sieht. Sich selbst beim Spaziergang auf Fährtensuche zu begeben, ist ein Spaß für Jung und Alt.

Aber auch Wissenschaftler und Naturschützer nutzen die vielfältigen Hinterlassenschaften, um den Geheimnissen des Lebens in Wald, Wiese oder auch in der Stadt auf die Spur zu kommen. „Bei vielen Tierarten ist es einfacher, ihr Vorkommen anhand charakteristischer Spuren nachzuweisen, als mühsam nach ihnen zu suchen“, sagt der Umweltgutachter Hinrich Matthes. Der Landschaftsökologe fertigt bundesweit naturschutzfachliche Gutachten für Behörden an, etwa, wenn es um Eingriffe in die Natur, beispielsweise für Straßenbau oder die Errichtung von Wind- und Solarparks geht. Für deren Genehmigung oder der Erteilung von Auflagen ist es nötig zu wissen, ob in einem Gebiet besonders geschützte oder gefährdete Arten vorkommen.

Die Spuren der Bottroper Löwen

Während die winzigen DNA-Spuren aber nur aufwendig im Labor ausgewertet werden können und rasch verfallen, überdauern klassische Tierspuren oft lange Zeiträume - manchmal sogar ganze Erdzeitalter. Ein besonders faszinierendes Beispiel dafür findet sich mit der berühmten „Bottroper Spurenplatte“, die in der Ruhrgebiets-Stadt im Josef Albers Museum Quadrat ausgestellt ist. Die darauf gut erhaltenen Trittsiegel aus der Eiszeit wurden im Jahr 1992 beim Bau des Emscher-Klärwerks auf einem lehmigen Untergrund in Bottrop entdeckt. Auf einer Fläche von etwa 150 Quadratmetern wurden rund 600 Abdrücke unterschiedlicher Tiere gefunden. Wissenschaftlern gelang es, die meisten von ihnen einer Art oder zumindest einer Tiergruppe zuzuordnen.

So siedelten offenbar schon vor 35.000 bis 40.000 Jahren wie heute Gänse in der Region. Besonders zahlreich fanden sich aber unterschiedliche Säugetierarten: Rentiere, urzeitliche Rinder oder Wisente, Pferde, Wölfe und sogar Löwen durchstreiften die Krautsteppe des damals wahrscheinlich unter Dauerfrost liegenden Emscher-Tals. Aus der Schrittlänge der erhaltenen Tierspuren konnten die Forscher sogar die Laufgeschwindigkeit der Tiere rekonstruieren. Danach haben die Raubtiere und ihre potenzielle Beute die Fährtenplatte in ruhigem Lauf überquert. Ein Zeichen dafür, dass sie wohl nicht gleichzeitig dort waren.

Während die Fährten des Löwen darauf hindeuten, dass er der vor rund 10.000 Jahren ausgestorbenen Art der Höhlenlöwen angehörte, stammen die in der Fährtenplatte verewigten Wolfsspuren von einem direkten Vorfahren unseres heutigen Wolfs: Jener Tierart, die erst vor fünf Jahren wieder in Nordrhein-Westfalen heimisch wurde. Das erste Wolfspaar, das fast 200 Jahre nach der Ausrottung durch den Menschen nach Nordrhein-Westfalen zuwanderte, siedelte sich in Schermbeck an – nur 20 Kilometer entfernt vom eiszeitlichen Revier seiner Vorfahren auf der „Bottroper Fährtenplatte“.

Text: Thomas Krumenacker

DNA Barcode: Ein Esslöffel Wasser genügt für die Arten-Inventur

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzen auf die seit Urzeiten von Menschen betriebene Spurensuche – allerdings in Hightech-Varianten. Eine besonders raffinierte Methode ist das DNA-Barcoding. Dabei nutzen Zoologen die Tatsache, dass alle Lebewesen ständig winzige Spuren ihrer Erbgutinformationen ausscheiden. Kleinste Partikel von Fell-, Feder- oder Hautzellen reichen, um sie im Labor einer bestimmten Art oder sogar einem bestimmten Individuum zuordnen zu können. Die Methode, die der Polizei hilft, Mörder und Einbrecher zu überführen, gewinnt auch in der Zoologie immer mehr Zulauf. Denn mit dem DNA-Barcoding lässt sich mit wenig Aufwand das Artenspektrum in einem vergleichsweise großen Gebiet erfassen. Aus Kot, Urin oder Haaren, aber auch aus dem Boden lässt sich die sogenannte Umwelt-DNA isolieren. Damit lassen sich beispielsweise Wölfe nicht nur nachweisen, sondern sogar individuell identifizieren oder einem Rudel zuordnen.

Besonders häufig und erfolgreich wird die Methode des Barcodings bei Gewässeranalysen angewandt. Dabei untersuchen Biologen zum Beispiel anhand von Wasserproben, ob bestimmte Amphibien- und Fischarten in einem Teich oder Flussabschnitt vorkommen. Aus Gewässerproben vom Volumen einer Esslöffel-Füllung lässt sich sogar herauslesen, ob in einem großen See zuvor ein Hirsch gebadet oder ein winziger Mauersegler im Vorbeiflug für wenige Sekunden etwas getrunken hat. Britischen und dänischen Wissenschaftlerinnen gelang es unabhängig voneinander vor kurzem sogar, mehr als zwei Dutzend Säugetier- und Vogelarten allein über DNA-Proben aus der Umgebungsluft sicher zu identifizieren.

1. Unbekannter Organismus
2. DNA-Gewinnung
3. Barcoding-Fragment
4. DNA-Sequenzierung
5. Barcode Datenbank
6. Übereinstimmung
7. Identifikation Artname