Der Meister der Zeichenkohle

Das Pankok Museum in Hünxe

Foto: Judith Büthe

Foto: Judith Büthe

Haus Esselt ist ein ehemaliges Rittergut in Drevenack bei Hünxe am Niederrhein. Die bis ins Mittelalter zurückreichende Geschichte des Gutes ist seit 1958 unauflöslich mit der Biografie des Künstlers Otto Pankok verbunden, der Esselt damals erwarb, um es mit seiner Frau und seiner Tochter zu bewohnen. Heute lassen sich bei Führungen durch einige kaum veränderte Räume des Hauses authentische Einblicke in jene Zeit gewinnen. Nahe kommt man Pankok außerdem in der als Museum genutzten Gutsscheune, die im Mai 2023 nach sechsjähriger Umgestaltungs- und Erweiterungsphase festlich wiedereröffnet worden ist.

Ars longa – lange währt die Kunst, hieß es in der Antike. Man darf hinzufügen: Der lange Atem vieler tatkräftiger Initiativen scheint ebenfalls unerschöpflich. Haus Esselt, dessen Name sich vom nahen Flüsschen Issel ableitet, ist heute gemeinsamer Sitz der Otto Pankok Stiftung und der Otto-Pankok-Gesellschaft. Seit 1968 prägt ihre Arbeit das Geschehen rund um das vor weit über dreihundert Jahren erbaute Gutshaus, das inmitten eines romantischen Parks liegt und durch seine stilvolle Schlichtheit die Epoche des Barocks wirkungsvoll vom Vorwurf entlastet, ausschließlich zu überladenem Prunk fähig gewesen zu sein.

Eine Pankok-Hymne

Die Scheune von Haus Esselt, vom Meister früher als Atelier genutzt, diente schon seit langer Zeit dem zunächst privat betriebenen Museum. Mithilfe der NRW-Stiftung ist nun ein Anbau hinzugekommen, der mehr barrierefreien Platz schafft und vor allem endlich alle Anforderungen an Raumklima und Sicherheit erfüllt, um künftig auch Leihgaben von außerhalb präsentieren zu können. Davon verspricht sich das „Team Pankok“ mit der Museumschefin Dr. Dagmar Schmengler und dem Großneffen des Künstlers, Moritz Pankok, zu Recht ein gesteigertes Publikumsinteresse, nicht zuletzt übrigens in den nahen Niederlanden. Eröffnet wurde das neugestaltete Museum mit der Ausstellung „Stern und Blume“, deren Titel sich an ein künstlerisches Manifest Pankoks von 1930 anlehnt. Beim Festakt spielte das Jazz-Trio „Lux et Origo“ aus Wesel sogar eine eigens erarbeitete „Otto Pankok-Hymne“.

Der Mann, dem die Hymne gewidmet war, wurde 1893 in Saarn bei Mülheim an der Ruhr als Sohn des Sanitätsrats Eduard Pankok und dessen Frau Marie geboren. Eine anfangs angestrebte künstlerische Hochschulausbildung brach der junge Pankok nach zwei Anläufen in Düsseldorf und Weimar rasch wieder ab. Doch sollte Düsseldorf für ihn aus anderen Gründen zu einer entscheidenden Lebensstation werden. Er trat hier nach dem Ersten Weltkrieg, aus dem er 1917 verwundet zurückgekehrt war, der expressionistischen Gruppe „Junges Rheinland“, später auch der „Rheinischen Sezession“ bei. Und wichtiger: Er heiratete 1921 in Düsseldorf die Journalistin Hulda Droste (1895-1985), die für die Tageszeitung „Der Mittag“ sowie für den Rundfunk arbeitete.

Gerechte unter den Völkern

Ein weiteres in Düsseldorf geknüpftes menschliches Band wurde durch die NS-Diktatur auf grausame Weise zerschnitten – Pankoks Freundschaft mit den Menschen einer Sinti-Gemeinschaft im Düsseldorfer Heinefeld. Ihr Schicksal beschäftigte ihn so intensiv, dass der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Oskar Rose, 2008 hervorhob, es gebe „keinen anderen deutschen Künstler, in dessen Werk sich der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma so unmittelbar widerspiegelt“. Pankok selbst hatte im Dritten Reich Arbeitsverbot und lebte mit seiner Frau unter anderem im Eifeldorf Pesch bei Nettersheim, wo die beiden 1944 zwei Monate lang den verfolgten Maler Mathias Barz und dessen jüdische Frau Brunhilde versteckten. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte das Ehepaar Pankok daher 2014 als Gerechte unter den Völkern.

Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft kehrte Pankok nach Düsseldorf zurück. Er lehrte als Professor an der dortigen Kunstakademie, bis er 1958 Haus Esselt als Ruhesitz wählte. Hier werden heute rund 12.000 seiner Werke aufbewahrt, darüber hinaus der jour­nalistisch-verlegerische Nachlass seiner Frau Hulda und etwa zweitausend Gemälde seiner 2016 verstorbenen Tochter Eva. Den kreativen Leistungen der beiden Frauen ist im Gutshaus seit einigen Jahren ein eigener Raum gewidmet. Zum Schluss darf der Hinweis auf Pankoks Werkstatt nicht fehlen, in der beinahe fünfzig Jahre nach seinem Tod im Jahr 1966 bisweilen noch seine origi­nalen Holzdruckstöcke Verwendung finden. Sie künden auf ihre Weise von der Dauer der Kunst.

Text: Ralf J. Günther

Die Kohle des Herrn Kuchen

Charakteristisch für das Werk Otto Pankoks ist die häufige Verwendung schwarzer Zeichenkohle. Sein wohl prominentester Schüler an der Düsseldorfer Kunstakademie, der spätere Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der auch als bildender Künstler arbeitete, griff ebenfalls oft zum Kohlestift. Grass gründete 1997 zusammen mit seiner zweiten Frau Ute die „Stiftung zugunsten des Romavolks“, die einen nach Otto Pankok benannten Preis an Personen mit besonderen Verdiensten um Menschenrechte und Integration verleiht. In dem Roman „Die Blechtrommel“ hat Grass seinem Lehrer in der Person eines „Kohlewüterichs“ mit dem leicht erklärlichen Namen „Professor Kuchen“ ein Denkmal gesetzt. Die hochdeutsche Übertragung des Wortes Pankok lautet Pfannkuchen.

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung stellte der Otto Pankok Stiftung Mittel für die Realisierung der Ausstellung in der neu gestalteten und erweiterten Museumsscheune von Haus Esselt zur Verfügung. Sie förderte damit wie im Falle mehrerer anderer Künstlerhäuser in Nordrhein-Westfalen – etwa dem Junkerhaus in Lemgo – die Ausstellungstätigkeit an einem authentischen Ort gelebter Kreativität.
www.pankokmuseum.eu