Im Jahr 1924 verwandelte sich Conrad Felix Müller in Conrad Felixmüller. Der in Dresden geborene Maler des Bildes „Kind vor Hochofen“ veränderte in diesem Jahr seinen Nachnamen, um in der Kunstwelt leichter unterscheidbar zu sein. Dabei war er damals schon längst Träger des Großen Sächsischen Staatspreises und insofern kein Unbekannter mehr. Heute erzielen seine Bilder, die zum Expressionismus und zur Neuen Sachlichkeit gehören, auf Auktionen hohe Summen. Die jüngst erworbene Hochofenszene wird vom Bonner LVR-Landesmuseum im neuen Ausstellungsbereich „Welt im Wandel“ präsentiert.
Es ist nicht irgendein Blick aus dem Fenster, den Conrad Felixmüller 1927 malerisch in Szene setzte. Wir sehen vielmehr die ehemalige Hasper Hütte in Hagen, eine riesige, 1972 stillgelegte Stahlproduktionsanlage. Auch der blonde Junge ist kein erdachtes Kind, sondern der sechsjährige Sohn der Hagener Familie Wulf. Mit anderen Worten: Der Künstler kannte das, was er da auf Leinwand bannte, aus eigener Anschauung. Scheinbar kaum bemerkenswert, denn von Dresden bis ins Ruhrgebiet war es selbst vor hundert Jahren nicht eben eine Weltreise. Doch steckt in diesem Fall eine ungewöhnliche Entscheidung dahinter.
Mitglied der Novembergruppe
Im Jahr 1920 erhielt Conrad Felixmüller den Großen Sächsischen Staatspreis – übrigens wie im Jahr darauf auch sein Schwager und enger Freund Peter August Böckstiegel, dessen Künstlerhaus in Werther-Arrode ein Förderprojekt der NRW-Stiftung ist. Die Ehrung war mit einer Geldsumme verbunden, die von den meisten Preisträgern zur Finanzierung eines Italienaufenthalts verwendet wurde. Das geschah so oft, dass man den Großen Sächsischen Staatspreis der Einfachheit halber auch „Rompreis“ nannte. Doch Conrad Felixmüller entschied sich anders. Er reiste mit dem Geld nicht in den Süden, sondern machte sich damit auf ins Ruhrgebiet. Was durchaus folgerichtig erscheint, wenn man weiß, dass er Mitglied der sogenannten Novembergruppe war, einer künst-lerischen Vereinigung, die sich sehr stark mit sozialen Fragen auseinandersetzte. Ihr Name spielte auf die Novemberrevolution von 1918 an.
Einige der Bilder, die Felixmüller an der Ruhr malte, brachten seine Sympathie für das Proletariat zum Ausdruck. Bei dem Gemälde „Kind vor Hochofen“ ist die Perspektive jedoch anders. Der dargestellte Junge war der Sohn eines Studiendirektors und blickt überdies eher gelassen-träumerisch aus dem Fenster, so als sei die monumentale Industrieszenerie vor seinen Augen längst zur selbstverständlichen Kulisse einer gewandelten Welt geworden. Das verleiht dem Gemälde besonderen Wert für die neue Dauerausstellung des LVR-Landesmuseums in Bonn, die die Geschichte des Rheinlands als einer „Welt im Wandel“ erzählt. Auf Anregung des Museumsfördervereins – der Wilhelm-Dorow-Gesellschaft – erwarb die NRW-Stiftung das Gemälde zusammen mit dem Landschaftsverband Rheinland. Der gemeinsame Ankauf ist ein Glücksfall, kann das Bild als Zeuge rheinisch-westfälischer Geschichte dadurch doch in NRW verbleiben.
Text: Ralf J. Günther
Blickpunkt
Der Förderverein des LVR-Landesmuseums Bonn, die Wilhelm-Dorow-Gesellschaft, war bereits mehrfach Partner der NRW-Stiftung, so bei der Ausstellung „Die Zisterzenienser“ von 2018 und bei der neuen Dauerausstellung zum Neanderthaler. Die NRW-Stiftung half jetzt beim Erwerb des Bildes „Kind vor Hochofen“ für den neuen Bereich „Welt im Wandel.“