Endlich! Seit Mai dieses Jahres haben die Waldgenossen des Historischen Haubergs in Fellinghausen bei Kreuztal im Siegerland einen Infopavillon. In dem achteckigen Gebäude, aus heimischen Fichten und Douglasien gefertigt, können die Waldgenossen nun bei jeder Witterung Gäste und Gruppen empfangen. Ein Besuch in Fellinghausen lohnt sich, denn die Waldbewirtschaftung in einem Hauberg zeigt, was wir von unseren Vorfahren lernen können: Nachhaltig zu denken.
Hauberge gehören zum Siegerland wie der Karneval zu Köln. Ein Hauberg ist ein Waldstück, das einem Dorf gehört und gemeinschaftlich bewirtschaftet wird. Organisiert sind die Dorfbewohner mit Haubergsparzelle in einer Waldgenossenschaft. Das ist früher so gewesen und ist heute vielerorts noch immer so in Siegerländer Dörfern. War der Hauberg für unsere Vorfahren so etwas wie eine „eierlegende Wollmilchsau“, so dient er heute in erster Linie dazu, das eigene Brennholz machen zu können, draußen an der frischen Luft zu sein und sich eng verbunden zu fühlen mit der Region Siegerland und den anderen Waldgenossen. Der Hauberg ist Heimat. Ob die Haubergsgenossen früherer Tage über Identität und Heimatgefühl nachdachten, während sie ihre Bäume gefällt haben? Wohl kaum. „Die Menschen damals mussten alles erdenklich Mögliche aus dem Wald rausholen, um ihr Überleben zu sichern“, sagt Bernhard Kraft, Waldvorsteher im Historischen Hauberg Fellinghausen. Und Bernhard Kraft muss es wissen, denn in Kreuztal-Fellinghausen wird der Hauberg noch genau so bearbeitet, wie unsere Vorfahren das gemacht haben.
Im Rhythmus der Haubergsuhr
Die sogenannte Haubergsuhr, die im Infopavillon zu bestaunen ist, macht deutlich, wie die jahreszeitlichen Arbeiten in einem Hauberg geregelt sind. Im Januar beginnt die Haubergsuhr zu ticken: Dann bekommt jeder Waldgenosse sein Waldstück zugeteilt. Wie groß das ist, hängt davon ab, wieviele Anteile er hat. Der gesamte Wald einer Haubergsgenossenschaft ist aufgeteilt wie eine Torte mit zwanzig Stücken. Zwanzig, weil immer neunzehn Stücke ruhen, um nachwachsen zu können. Das Stück, das nach zwanzig Jahren wieder an der Reihe ist, wird dann unter den Genossen aufgeteilt. Jeder bekommt seine Parzelle. Und dann gehen die Arbeiten los: Die nachgewachsenen Bäume - Eichen und Birken wachsen in einem Hauberg, weil sie in der Lage sind aus einem Stock auszutreiben – werden gefällt, um aus ihnen Brennholz zu machen. Sehr großer Wert wird beim Fällen darauf gelegt, dass der Stamm schräg abgesägt wird, denn sonst würde sich Wasser auf dem Stumpf sammeln, das Holz begänne zu faulen und die Bäume könnten nicht mehr austreiben.
Aus den dünnen Ästen der gefällten Bäume werden im April sogenannte Schanzen gebunden. Die brauchte man zum Anheizen der Öfen in den Backhäusern. Damals backten die Frauen noch gemeinschaftlich. Im Infopavillon steht ein solches Schanzenbündel. Die heutigen Waldgenossen binden manchmal noch Schanzen, weil der Siegerländer „Backes“ seit einigen Jahren eine Art Renaissance erlebt: Zu besonderen Anlässen wird dort wieder gebacken.
Lohe für Gerbereien
Lohe wird heute in einem „normalen“ Hauberg nicht mehr geschält. Im Historischen Hauberg Fellinghausen aber wird im Frühjahr die sogenannte Lohleiter, die an der obersten Sprosse eine Einkerbung hat, um sie wackelfrei an einen schmalen Baum zu lehnen, herausgeholt. Im Mai schälen dann die Waldgenossen, wie schon ihre Vorfahren, die Rinden ihrer Eichen ab. Die enthaltene Gerbsäure, die die Gerbereien benötigten, um Tierhäute in Leder zu verwandeln. Der Lohe-Verkauf war damals eine wichtige, zusätzliche Einnahmequelle für einen Haubergsgenossen, der seinen Hauberg ja neben dem Hauptberuf bewirtschaftete. Nach dem Loheschälen drehte sich dann alles um Korn und Stroh, denn der Hauberg war auch eine Art kleines Getreidefeld, auf dem der Siegerländer Buchweizen und Roggen kultivierte. Fielen im Herbst die eiweisshaltigen Eicheln von den Bäumen, trieben die Genossen ihre Schweine in den Hauberg, um sie auf natürliche Weise „dick“ zu füttern. Im Frühjahr schichteten die Haubergsgenossen außerdem einen Kohlenmeiler auf, um aus dem geernteten Holz, Holzkohle zu gewinnen (in Fellinghausen raucht jedes Jahr um Fronleichnam ein Meiler). Die wurde gebraucht, um in den Siegerländer Hütten Erze für die Gewinnung von Eisen schmelzen können.
Entstehung der Haubergswirtschaft
Vor diesem Hintergrund war die Haubergswirtschaft im 16. Jahrhundert überhaupt erst entstanden. Weil die Eisenverhüttung Unmengen Holz verschlang, war radikal gefällt worden, sodass irgendwann kaum ein Baum mehr im Siegerland stand. Die Grafen zu Nassau und zu Sayn erließen Verordnungen, die regelten, dass Waldwirtschaft im Siegerland und Teilen des Westerwaldes künftig nachhaltig betrieben werden müsse. Das war die Geburtsstunde des Haubergs.
Im Infopavillon, der mit Hilfe der NRW-Stiftung gebaut werden konnte, kann man der Geschichte der Hauberge nachspüren: Historische Werkzeuge hängen dort an den Wänden, eine Lohleiter ist zu sehen, alte Fotos, die zeigen, wie mühsam Waldwirtschaft vor Erfindung der Motorsäge und des Traktors war. Die Hauberge waren und sind Herzstück des Siegerlandes, in dem Holz, dörflicher Zusammenhalt und die tiefe Verbundenheit mit Traditionen eine große Rolle spielen.
Text: Andrea Klasen
Blickpunkt
Die NRW-Stiftung übernahm den Löwenanteil bei der Finanzierung des Infopavillons im Historischen Hauberg Fellinghausen. Von Mai bis September ist er sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Historische Hauberg bietet zudem Führungen für Gruppen aller Art an. Auf eigene Faust kann man den „Haubergspfad“ (mit Infotafeln) laufen. Der 2,3 Kilometer lange Rundweg beginnt am Pavillon.
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