Ohne Archive und Sammlungen wäre unser Bild der Vergangenheit wenig detailliert, eine tiefergehende Geschichtsschreibung nahezu unmöglich. Die NRW-Stiftung hat daher bereits in einer Reihe von Fällen bei der Sicherung, Erschließung und Auswertung von Akten-, Bild- oder Medienarchiven geholfen. Nicht selten sind es akute Brand- oder Wasserschäden, die solche Hilfe erforderlich machen – so auch im Falle der Kölner Roma-Selbstorganisation „Rom e. V.“.
Ende 1986 wurde die „Kölner Roma-Initiative“ gegründet. Ihr Ziel: Geflüchtete Roma aus Jugoslawien sollten hinsichtlich ihres Bleiberechts unterstützt und vor diskriminierender Behandlung geschützt werden, zudem fanden auch Sinti eine Anlaufstelle. Als Fortsetzung dieser Initiative entstand knapp zwei Jahre später „Rom e. V.“, die ins Vereinsregister eingetragene „Vereinigung für die Verständigung von Rom (Roma und Sinti) und Nicht-Rom“. Zu ihren vielfältigen Aktivitäten gehörte das pädagogische Modellvorhaben „Amaro Kher“ („Unser Haus“) mit einer Ganztagsschule. Es bietet aktuell eine Kindertagesstätte und eine Nachmittagsbetreuung für geflüchtete Jugendliche.
Dokumentation, Bibliothek, Archiv
Der mehrfach preisgekrönte Verein arbeitet inzwischen unter der Eigenbezeichnung „Roma-Selbstorganisation für Teilhabe, Bildung und Kultur“. Zu seinen Basiseinrichtungen gehört ein Dokumentationszentrum samt Archiv und Bibliothek, das 1999 vom damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse eingeweiht wurde. Geleitet vom wissenschaftlichen Referenten Benjamin Peterle-Pick, bietet es neben einem großen Buchbestand umfangreiches Material in Form von Akten, Plakaten, Fotos, Filmen und Tonträgern zur Geschichte lokaler und regionaler Roma-Initiativen. Hinzu kommen schriftstellerische und wissenschaftliche Nachlässe, Interviewaufzeichnungen und vieles mehr.
Das Dokumentationszentrum publiziert im Netz die Vereinszeitschrift „Nevipe“ („Nachrichten“) und präsentiert ebenfalls online das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „DigiRom“, bei dem bildliche Darstellungen rassistischer Stereotype digitalisiert und ausgewertet wurden. Neben den bereits erfassten und erschlossenen Materialien lagern bei Rom e. V. aber – wie in vielen anderen Archiven – auch größere Mengen bislang nicht gesichteter Dokumente. Ausgerechnet dieser Bestand wurde im Frühjahr 2024 durch einen Wasserschaden in Mitleidenschaft gezogen, den ein undichtes Dach verursacht hatte.
Noteinsatz
Wenn wichtige Archivbestände in Gefahr geraten, fehlt es in NRW zum Glück nicht an Fachstellen, die professionell helfen können. In unserem Fall war es die Archivberatungsstelle des Landschaftsverbandes Rheinland, mit der zusammen die notwendigen Maßnahmen ergriffen wurden, um Schäden durch Feuchtigkeit und Schimmel zu minimieren. Zur archivgerechten Aufbewahrung des Bestandes wurden zudem Stülpschachteln, Mappen und Hüllen aus Pergamin angeschafft, einem Material, das dem sogenannten Pergamentpapier ähnelt.
Reinigung, Umlagerung und Erfassung der betroffenen Dokumente erfolgten – beziehungsweise erfolgen – unter starker ehrenamtlicher Beteiligung seitens der Vereinsmitglieder. Im Übrigen ist das Dokumentationszentrum des Rom e. V. auch Mitglied im „Kölner Notfallverbund für Archive und Bibliotheken“, der vor einigen Jahren als Reaktion auf den Einsturz des Kölner Stadtarchivs entstanden ist. Bei den jährlichen Schulungen des Verbunds wurde zuletzt ein mobiler Notfallcontainer zur akuten Rettung wertvoller Bestände erprobt.
Rahmenvereinbarung 2024
Rom e. V. ist nicht identisch mit dem in Düsseldorf ansässigen „Landesverband deutscher Sinti und Roma NRW“. Mit letzterem hat die NRW-Landesregierung im November 2024 eine richtungsweisende Rahmenvereinbarung unterzeichnet, durch die sich auch die Kölner Initiative in ihrer Arbeit bestätigt fühlen kann. Auf Landesebene wird darin die Verbesserung von Teilhabe und Schutz der kulturellen Identität von Sinti und Roma festgeschrieben, die bereits seit dem 15. Jahrhundert in Deutschland nachweisbar sind und die heute zu den vier in der Bundesrepublik anerkannten „nationalen Minderheiten“ gehören – neben den Sorben, der Volksgruppe der Friesen und der dänischen Minderheit in Südschleswig.
Text: Ralf J. Günther
Otto Pankok und die Menschen auf dem Heinefeld
Die an den Sinti und Roma begangenen NS-Verbrechen zerstörten auf grausame Weise auch die Anfang der 1930er Jahre geschlossene Freundschaft einer Sinti-Gemeinschaft auf dem Düsseldorfer Heinefeld mit dem Maler Otto Pankok (1893-1966). Pankok porträtierte dort Kinder und Erwachsene, von denen er später sagte, man habe sie, noch bevor die Synagogen aufloderten, hinter den Gittern des Stacheldrahtes zusammengepfercht, um sie schließlich das jüdische Schicksal in den Todeslagern des Ostens teilen zu lassen. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Oskar Rose, attestierte 2008, es gebe „keinen anderen deutschen Künstler, in dessen Werk sich der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma so unmittelbar widerspiegelt“. Das Pankok Haus in Hünxe-Drevenack wurde von der NRW-Stiftung gefördert.
