Neustart mit großem Besteck

Das Deutsche Klingenmuseum in Solingen

Foto: Stefan Schilling

Foto: Stefan Schilling

Eine Besteckschublade zu öffnen, ohne darin Produkte aus Solingen zu finden, ist möglich – doch wahrscheinlich ist sie dann leer. Noch heute haben die meisten deutschen Schneidwaren- und Besteckfirmen ihren Sitz in der Klingenstadt, in der folgerichtig auch das DKM zuhause ist, das Deutsche Klingenmuseum. Gegründet wurde es schon 1954, seit 1991 residiert es in den Räumen eines ehemaligen Klosters. Nun wurde seine Ausstellung grundlegend neu gestaltet und barrierefrei modernisiert. 

In einem guten Museum sollte sich alles um spannende Exponate drehen. Noch bemerkenswerter ist es allerdings, wenn sich die Exponate selber drehen – so wie 23 besonders prachtvolle historische Fechtwaffen, die sich im neuen DKM rundherum von allen Seiten zeigen und auf diese Weise zu einem schwungvollen Ausstellungskonzept beitragen. Das Klingenmuseum ist multimedialer geworden, bietet mehr Möglichkeiten zum Anfassen und Ausprobieren und hat seine Ausstellungsstücke wirkungsvoll choreografiert. Man kann sich gleich zu Beginn des Rundgangs davon überzeugen, wo eine Wandvitrine mit nicht weniger als dreihundert ausgewählten Objekten überwältigende Wirkung entfaltet. 

Me fecit Solingen

Klingen von der Steinzeit bis heute sind das Thema des DKM. Den Schwerpunkt der im Dezember 2024 neueröffneten Dauerausstellung bildet dabei die Solinger Klingenproduktion der Frühen Neuzeit, also vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Das Motto lautet „Me fecit Solingen“ – „Mich hat Solingen gemacht“. Schon vor Jahrhunderten gravierte man diese Worte in Schwerter, um sie als Qualitätserzeugnisse gesicherter Herkunft zu kennzeichnen. Aber warum ausgerechnet Solingen? Diese Frage wird im Museum anhand einer elf Meter langen und über drei Meter hohen Wandkarte beantwortet, an der sich die entscheidenden Standortfaktoren elektronisch visualisieren lassen. Erzvorkommen gehörten dazu, ebenso Waldreichtum sowie Wasserkraft zum Antrieb der Schleifkotten, darüber hinaus die Nähe zum wirtschaftsstarken Köln und zu Fürstentümern, die Waffen benötigten.


Gleich darauf geht es um die Fertigungsschritte bei der Her­stellung von Schwertern – und um die in Bruderschaften organisierten Menschen, die diese Schritte ausführten. Aber auch wie ein Schwert eigentlich in der Hand liegt, lässt sich dank des elektronischen „Fechtsimulators“ erproben. Natürlich ist die Sache gefahrlos, und man braucht dabei auch keinen schweren „Bidenhänder“ zu schwingen, der sich nur mit beiden Händen kontrollieren lässt. Die rund 1,70 Meter lange Prunkausführung eines solchen, um 1580 in Solingen gefertigten Zweihandschwerts konnte das DKM 2008 mithilfe der NRW-Stiftung erwerben. Seinerzeit an die Schutztruppe der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel geliefert, befand es sich über vierhundert Jahre im Besitz des Welfenhauses.  
 


Teuflische Gabeln

Das DKM besitzt neben Blankwaffen und Schneidwaren die größte Bestecksammlung der Welt. Man erfährt hier: Im bewährten Trio von Löffel, Messer und Gabel hat letztere erst vergleichsweise spät ihren Platz gefunden. Zwar existieren Gabeln unterschied-lichster Größen – bis hin zum landwirtschaftlichen Gerät – schon seit Jahrtausenden, in ihrer zweizinkigen Form erschienen sie aber lange als das Sinnbild eines „Werkzeugs des Teufels“. Kleine „Gäbelchen“, vor denen Martin Luther 1518 sogar durch Gott bewahrt werden wollte, galten zudem als geziert-untauglicher Ersatz für die eigenen fünf Finger.

Erst vor etwa dreihundert Jahren vermochten sich Gabeln an den Esstischen breit zu etablieren. Besonders verpönt, so heißt es, waren sie lange in Klöstern. Das ehemalige Frauenstift Gräfrath, dessen historische Wurzeln bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, kann die vielen Gäbelchen aber sicherlich ertragen, die sich heute in seinen Räumen befinden. Schließlich zeigt das DKM auch den wertvollen Bestand historischer Reliquiare und Liturgiegeräte, die dem Kloster einst gehörten. Zu sehen gibt es außerdem eine Schmiedewerkstatt und eine jener Zinngießereien, in denen früher „Dröppelminas“ (mit einem „n“!) hergestellt wurden – die traditionellen Zinnkannen der Bergischen Kaffeetafel.

Solinger Klingen – offiziell

Seit dem Jahr 2012 trägt Solingen offiziell den Namen „Klingenstadt“. Schon seit 1994 gibt es außerdem die „Solingen-­Verordnung“ des Bundes-justizministeriums, wonach der Name der Stadt geschäftlich nur für Schneidwaren aus Solingen sowie aus dem unmittelbar benachbarten Haan verwendet werden darf. Der Ausdruck „Schneidwaren“ wird dabei nicht ganz so messerscharf abgegrenzt – er umfasst unter anderem auch Tortenheber und Korkenzieher

Drache und Zauberschwert

Das Kinderangebot des DKM war bislang in einem Nachbargebäude des Klosters untergebracht, ist nach der Umgestaltung nun aber ins Haupthaus gerückt. Dort konnte im April 2025 die Ausstellung „Der Drache und das Zauberschwert“ eröffnet werden, die die kleinsten Museumsgäste in ein spannendes Abenteuer rund um die Solinger Klingen entführt. Übrigens wurden die Innenräume des Klosters, bevor das DKM hier 1991 einzog, von dem Architekten Josef Paul Kleihues umgebaut, der auch das der NRW-Stiftung gehörende Gebäude des „Relígio“ entworfen hat, des Westfälischen Museums für religiöse Kultur in Telgte bei Münster. Man kann Gräfrath aus diesem Grund ebenso wie Telgte in einem Atemzug mit Chicago nennen, denn das dortige Museum of Contemporary Art stammt ebenfalls von Kleihues.

Text: Ralf J. Günther

Blickpunkt

Auf Antrag der „Freunde des Deutschen Klingenmuseums e. V.“ half die NRW-Stiftung bei der Neugestaltung der Dauerausstellung im Deutschen Klingenmuseum. In früheren Jahren wurde bereits der Ankauf wertvoller Tafelausstattungen, einer Bestecksammlung sowie eines Prunkschwerts aus der Zeit um 1580 unterstützt. klingenmuseum.de