Vom Kasino über Funkwellen zur Stiftungsarbeit

Das Haus der Stiftungen

Foto: NRW-Stiftung / Schneider

Foto: NRW-Stiftung / Schneider

Das Haus mit der Nummer 133 an der Roßstraße in Düsseldorf-Derendorf: Seit 1896 steht es unverrückt da und hat trotzdem eine lange Wegstrecke hinter sich. Es startete als Offizierskasino, wandelte sich in der Weimarer Republik zum Rundfunkstudio, erlebte die Folgen des Zweiten Weltkriegs und trat danach in die Dienste eines NRW-Ministeriums. Dem Land ist es seitdem verbunden geblieben, obwohl es heute nicht mehr staatlich genutzt wird. Als denkmalgerecht saniertes „Haus der Stiftungen“ beherbergt es vielmehr seit Anfang der 1990er Jahre die Büros der NRW-Stiftung und der Kunststiftung NRW, beide Einrichtungen des privaten Rechts.

Die Liebe des Ulanen – so hieß ein Fortsetzungsroman, den Winnetou-Erfinder Karl May ab 1883 auf fast tausend großformatigen Seiten veröffentlichte, damals ein Bestseller, heute wohl eher Anlass für eine Frage, die auch die Wurzeln des Hauses der Stiftungen betrifft: Was ist eigentlich ein Ulan? Die Antwort braucht keinen Roman, es genügt ein Blick ans Düsseldorfer Rheinufer, wo seit 1929 ein lanzenbewehrter Kavallerist auf fünfzehn Meter hoher Säule in den Himmel reitet. Das Denkmal erinnert daran, dass in der Stadt von 1815 bis 1919 eine ganze Einheit solcher Lanzenreiter stationiert war, das 5. Ulanenregiment, das zusammen mit einer entsprechenden Husarenformation die 14. Kavalleriebrigade des preußischen Heeres bildete.

Offiziers-Speiseanstalt

Die Düsseldorfer Garnison, zu der auch Infanterie und berittene Artillerie gehörten, umfasste zeitweise über fünf Prozent der Stadtbevölkerung. Das Zusammenleben war dabei nicht immer friedlich, schon gar nicht während der Revolution von 1848/49. Doch selbst bei reinen Privatkonflikten zogen manche Soldaten ihre Säbel gegen Zivilisten, was die Düsseldorfer „Bürger-Zeitung“ 1895 scharf anprangerte. Trotzdem gewöhnte man sich in der Stadt insgesamt an das Militär, beobachtete Reiterübungen mit Neugier und erfreute sich am Sound von Kapellen wie dem Ulanen-Trompeterkorps. Die innerstädtischen Kasernen allerdings wurden bei wachsendem Verkehr zunehmend zur Belastung, so dass die Armeeverwaltung ab 1893 erweiterte Unterkünfte auf zehn Hektar im heutigen Ortsteil Derendorf errichten ließ – rote Ziegel für Artillerie und Reiter, gelbe für die Infanterie.

Mit zu dem Komplex gehörten Lazarett, Gericht, Arrest, Wäscherei und eine „Offiziers-Speiseanstalt“ – das heutige Haus der Stiftungen. Der Entwurf stammte vom renommierten Architekten Carl Schäfer, der dabei trotz sonstiger Vorliebe für die Gotik auf Renaissance- und Barockformen zurückgriff. Das Gebäude mit dem Säulenportal aus rotem Eifelsandstein muss 1896 vollendet gewesen sein, die Innenausstattung aber verzögerte sich anscheinend, da die Lokalpresse noch im März 1897 meldete, das Offizierkorps der Ulanen habe „bis zur Fertigstellung der Räumlichkeiten in der neuen Kaserne sein Kasino im Restaurant Thürnagel“. So muss offenbleiben, ob hinter dem „überlauten“ nächtlichen Geschehen, über das sich die Nachbarn der Kasernen im Juni 1897 beklagten, vielleicht eine Kasinofeier steckte. Das Gebäude war jedenfalls keine bloße Tageskantine, sondern mit Weinkeller, Musikraum und Festsaal für gesellschaftliches Vergnügen gewappnet und mit Eingangshalle, Treppen und Lichthof für große Repräsentation ausgelegt.

Radiojahre

Deutschland musste sein Militär nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Rheinland abziehen. Es folgte die französisch-belgische Ruhrbesetzung 1923–25, dann erlebten die Düsseldorfer Kasernen erstmals (und ähnlich wie heute) eine zivile Nutzung – für Wohnungen, Werkstätten und Büros. Das Offizierskasino wurde dabei unversehens ins Radiozeitalter versetzt, das für Rheinland und Westfalen 1924 mit der „Westdeutschen Funkstunde AG“ in Münster begonnen hatte. Zwei Jahre später ging daraus die „Westdeutsche Rundfunk AG“ (WERAG) in Köln hervor, die Düsseldorf zu einem ihrer Nebenstandorte machte. Vor dem alten Kasino wurde nun ein Sendemast aufgepflanzt, innen richtete man ein Studio und die Wohnung des Studioleiters ein. Sendestart war im Januar 1927.

Paradoxerweise hatte Düsseldorf zu dieser Zeit bereits deutsche Radiogeschichte geschrieben: Aus dem Rheinstadion war am 18. April 1926 bei einem 4:2 gegen die Niederlande zum ersten Mal ein Fußballländerspiel übertragen worden, wobei anfangs angeblich ein beherzter Postbeamter ins Mikro sprach, zu dem der Reporter im überfüllten Stadion nicht durchkam. Ein Mitschnitt zum Beweis existiert leider nicht, denn in seinen Kindertagen zeichnete das Radio noch nichts auf – auch nicht die Konzerte, Hörspiele und Unterhaltungsabende aus der Roßstraße, obwohl man Sendungen wie die karnevalistische „Raketen-Funkrevue“ von 1928 heute gern einmal hören würde. Selbst Wiederholungen mussten stets erneut gesprochen oder gespielt werden, etwa das Hörspiel „Wibbels Auferstehung“ um den legendären Düsseldorfer Schneider, das am 25. Januar 1927 erstmals und am 10. Mai noch einmal gesendet wurde, jetzt sogar in längerer Fassung.

Im Dienste NRWs

Das Düsseldorfer Studio wurde aus wirtschaftlichen und organi­satorischen Gründen schon zum April 1930 wieder geschlossen, bedauerlicherweise gerade, als der Rundfunk erste Sendungen auf Wachsplatten zu speichern anfing – dafür aber früh genug, um dem gleichgeschalteten NS-Rundfunk ab 1933 zu entgehen, den Studioleiter Friedrich Castelle fatalerweise aktiv unterstützen sollte. Von Kriegsschäden blieb das Kasinogebäude, das unter den Nazis wieder Teil einer Kasernenanlage war, nicht verschont. Es büßte dabei mehrere Giebel und eine gartenseitige Loggia ein. Unmittelbar nach dem Krieg als Unterkunft für vertriebene und aus der Zwangsarbeit befreite Menschen genutzt, begann für das Haus 1947 die Karriere im Dienst des Landes NRW. Zunächst fand das Landesernährungsamt hier Räume, etwas später richtete das NRW-Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Kantine darin ein und nutzte den Sitzungssaal für Besprechungen. Mit Heinrich Lübke, dem ersten NRW-Landwirtschaftsminister, war damals ein späterer Bundespräsident oberster Chef des Hauses. Und auch nach dem Weggang des Ministeriums vom Kasernengelände blieb der NRW-Bezug bestehen: Die Landesregierung beschloss 1987, das alte Kasino der im Jahr zuvor gegründeten NRW-Stiftung zur kostenlosen Nutzung zu überlassen.

Der Johannes-Rau-Saal

Aufgrund notwendiger Sanierungsarbeiten konnten die Räume erst Anfang der 1990er Jahre bezogen werden. Da zu diesem Zeitpunkt auch die Kunststiftung NRW bereits existierte, teilen sich seitdem zwei Nutzerinnen das Gebäude, insbesondere den 135 Quadratmeter großen Fest- und Sitzungssaal, der 2016 nach vorheriger Restaurierung als „Johannes-Rau-Saal“ wiedereröffnet wurde. Der Name des früheren Minister- und Bundespräsidenten, auf dessen Initiative beide Stiftungen zurückgehen, bleibt damit im Haus präsent. 2021 bewährte sich der Raum übrigens erneut als eine Art Sendesaal – die damalige Verleihung des NRW-Engagementpreises wurde von hier aus zwar nicht per Funk, wohl aber online per Video verbreitet.

Text: Ralf J. Günther

„Westfälische Tanzhusaren“

Lange war das 2. Westfälische Husarenregiment Nr. 11 in Düsseldorf stationiert, bevor es 1906 nach Krefeld verlegt wurde. Dass man seine Soldaten seitdem „Tanzhusaren“ nannte, hing mit Kaiser Wilhelm II. zusammen. Der hatte vier Jahre zuvor junge Krefelderinnen über einen eklatanten Mangel an Tanzpartnern klagen gehört, weshalb er beim Antreten des Regiments verkündete, er bringe nunmehr der Stadt ihre Garnison – und den jungen Damen ihre Tänzer. Womit allerdings noch nicht die Bezeichnung „westfälisch“ ausgerechnet für Düsseldorfer Husaren und Ulanen erklärt ist. Sie ging auf eine Reorganisation des preußischen Heeres im Jahr 1860 zurück, als viele Regimenter Namenszusätze bekamen, die sich auf „ruhmwürdige Vorgeschichte“, „Ursprung“ und „taktische Bestimmung“ bezogen. Heute sind die Benennungen im Einzelnen aber oft nur noch schwer nachvollziehbar.

Blickpunkt

Der 1986 gegründeten „Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege“ wurde auf Beschluss der Landesregierung das ehemalige Offizierskasino in Düsseldorf-Derendorf als Geschäftsstelle überlassen. Mit ihr zusammen nutzt die „Kunststiftung NRW“ das Gebäude. Letztere fördert herausragende, wegweisende und nachhaltige Vorhaben in den Bereichen Literatur, Musik, visuelle und aufführende Künste.
www.nrw-stiftung.de
www.kunststiftungnrw.de

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