Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum (DBM) ist buchstäblich für allerhöchste Ansprüche gerüstet, besitzt es doch seit 1973 eins der gigantischsten Exponate, die es in der gesamten rheinisch-westfälischen Museumslandschaft zu bestaunen gibt – ein Doppelbock-Fördergerüst von gut 71 Metern Höhe. Im Februar 2025 wurde die stählerne Konstruktion, die sich weithin sichtbar über dem DBM erhebt, nach gründlicher Sanierung mit einem großen Fest voller Licht und Farbe wiedereröffnet. Doch wie kam der „germaniagrüne Doppelbock“ überhaupt nach Bochum? Und warum die offenkundige Familienähnlichkeit mit dem Fördergerüst der Zeche Zollverein in Essen?
Rund eintausend bergbauliche Fördergerüste gab es einst im Ruhrgebiet. Sie dienten zur Aufhängung der sogenannten Seilscheiben, sprich: der großen Speichenräder, über die die Förderseile liefen. An diesen wiederum hingen die „Körbe“ und Behälter, mit denen man in den Schächten Menschen, Ausrüstung und natürlich Steinkohle bewegte. So weit, so simpel. Die Vielfalt konkreter Formen und technischer Finessen, die Fördergerüste im Laufe der Zeit entwickelt haben, ist hingegen nur für ausgesprochene Fachleute zu durchschauen. Grundsätzlich kann man zwischen gitterartigen Konstruktionen (ähnlich Hochspannungsmasten) und Anlagen mit glattwandigen Bauformen unterscheiden. Doppelstrebengerüste – auch Doppelbockgerüste genannt – verdanken ihre Bezeichnung der Tatsache, dass sie in entsprechend ausgelegten Schächten eine doppelte Förderleistung ermöglichten.

Schupp und Kremmer
In der Evolution der Fördergerüste markiert das Jahr 1930 einen Einschnitt. Damals erblickte eine ästhetisch besonders ausgewogene Vollwandkonstruktion das Licht der Welt – die Doppelbockanlage über Schacht 12 des Bergwerks Zollverein in Essen. Entworfen von den Industriearchitekten Fritz Schupp und Martin Kremmer gilt dieses symmetrische Fördergerüst bis heute als ein Emblem der Bergbaugeschichte. Seine fast grafische Wirkung trug mit dazu bei, der „schönsten Zeche der Welt“ im Jahr 2001 – zusammen mit der benachbarten Kokerei Zollverein – einen Platz auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes zu verschaffen.
Als Fritz Schupp und Martin Kremmer 1944 erneut ein Doppelstrebengerüst entwarfen, dieses Mal für Schacht 5 der Zeche Germania in Dortmund-Marten, verleugnete ihre neue Konstruktion das Essener Vorbild nicht, das sie allerdings um nicht weniger als sechzehn Meter überragte. Mitsamt seinen Seilscheiben, die einen Durchmesser von acht Metern hatten, galt das Dortmunder Fördergerüst seinerzeit sogar als das größte der Welt. In Betrieb war es bis zur Stilllegung von „Germania“ im Jahr 1971, schon zwei Jahre danach erfolgte die vom Land NRW finanzierte „Translozierung“ nach Bochum.
Seilscheibenbühne
Die insgesamt 650 Tonnen schwere Gerüstkonstruktion wurde dafür in Einzelteile von bis zu dreißig Tonnen Gewicht zerlegt und mit Spezialtransportern in Dortmunds Nachbarstadt verfrachtet. Dort fand der Wiederaufbau am Bergbaumuseum noch im gleichen Jahr statt. 1975 wurde das Gerüst außerdem als Aussichtsplattform freigegeben: Von der Seilscheibenbühne aus, die sich bequem per Aufzug erreichen lässt, hat man seitdem weite Blicke über die ehemalige Bergbauregion.
Aufgrund seiner Funktion als Aussichtsturm unterscheidet sich das Bochumer Doppelbockgerüst von seinem Essener Verwandten in einem wichtigen Detail: Ihm fehlen – zugunsten von Fahrstuhl und Plattform – die beiden unteren Seilscheiben. Viel stärker dürfte den meisten beim direkten Vergleich allerdings der farbliche Unterschied zwischen den beiden Anlagen ins Auge fallen. Das Essener Gerüst hat einen rostroten Ton, während sich sein Dortmund-Bochumer Gegenstück in eine bläulich-grüne Farbe hüllt – in das berühmte „Germaniagrün“, das nach der jüngsten Sanierung wieder in voller Frische erstrahlt.

Farbiges Licht
Die NRW-Stiftung beteiligte sich auf Antrag der „Vereinigung der Freunde des Deutschen Bergbau-Museums Bochum e. V.“ an der Wiederherstellung des Gerüsts, das dafür ein ganzes Jahr lang unter einer staubdichten weißen Plane verschwinden musste. Während die Ausstellung „Doppelbock auf Museum“ für Hintergrundinformationen sorgte, wurden Korrosionsschäden beseitigt, wie sie Wind, Wetter und Taubenkot verursachen. Die Installation einer „Taubenvergrämungsanlage“ war daher ebenfalls Teil des Sanierungsplans, der sich indes nicht auf reine Reparaturmaßnahmen beschränkte, sondern auch ein neues Beleuchtungskonzept umfasste: Das Gerüst lässt sich nun auf vielfältige Weise farbig illuminieren, passend zu feierlichen Anlässen oder abgestimmt auf öffentliche Aktionen. Beim großen Museumsfest am 22. Februar 2025 wurden die neuen Lichteffekte erstmals öffentlich erprobt.
Das DBM ist das größte Bergbaumuseum der Welt. Es wurde 1930 als „Geschichtliches Museum des Bergbaus“ durch einen Vertrag zwischen der „Westfälischen Berggewerkschaftskasse“ und der Stadt Bochum gegründet. Die von Fritz Schupp mitentworfenen Museumsbauten waren aber noch gar nicht vollendet, als sie 1943 durch Bomben bereits weitgehend wieder zerstört wurden. Dass das Museum nach dem Krieg trotzdem an Bestehendes anknüpfen konnte, lag nicht zuletzt an dem schon in den 1930er Jahren begonnenen „Anschauungsbergwerk“, dem heutigen Besucherbergwerk. In nur zwanzig Meter Tiefe gelegen, verfügt es seit 2014 über einen „Seilfahrtsimulator“, der einen ganz anderen Eindruck zu erwecken versteht: Binnen dreier Minuten scheint es darin zwölfhundert Meter abwärts zu gehen. Die Minuten sind real, Rütteln, Luftzug, vorbeirasendes Gestein und steigende Temperaturen hingegen Teil einer Inszenierung, die vergessen macht, dass man sich in Wirklichkeit kaum mehr als ein paar Zentimeter bewegt hat.



Im Namen von Leibniz
Mit vollem Namen heißt das DBM heute „Deutsches Bergbau-Museum Bochum – Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen“. Es dient also nicht nur der Wissensvermittlung, sondern hat sich als wissenschaftliche Forschungseinrichtung der sogenannten Leibniz-Gemeinschaft angeschlossen. Zu diesem Verbund von rund hundert, nicht unmittelbar den Universitäten unterstehenden Forschungsinstituten ganz unterschiedlicher Disziplinen gehören in NRW zum Beispiel das Deutsche Diabetes-Zentrum in Düsseldorf, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund. Ob der Universalgelehrte, Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) an all diesen Themen Interesse gehabt hätte? Vermutlich. Ganz gewiss aber hätte ihn das Bochumer Doppelbockgerüst fasziniert, zählte die Verbesserung von Bergbautechniken doch lange zu seinen in Theorie und Praxis verfolgten Projekten.
Text: Ralf J. Günther
Blickpunkt

Die NRW-Stiftung unterstützte die „Vereinigung der Freunde des deutschen Bergbau-Museums Bochum e. V.“ beim Projekt der denkmalgerechten Sanierung des Fördergerüsts am DBM. Die Mittel der NRW-Stiftung wurden zweckgebunden für die Bestandserhaltung des Doppelbockgerüsts bereitgestellt, das seit seiner Versetzung von Dortmund nach Bochum im Jahr 1973 die Bochumer Stadtsilhouette wesentlich mitprägt.
www.bergbaumuseum.de