Hilfe für Projekte in Not

Die Hochwasserkatastrophe in NRW

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Im Juli 2021 führten extreme Regenmengen zu verheerenden Überflutungen in Teilen von Nordrhein- Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Nachrichten über Todesopfer, eingestürzte Häuser und verwüstete Straßen wurden auch bei der Nordrhein-Westfalen-Stiftung mit Betroffenheit aufgenommen. Besondere Sorge galt hier den ehrenamtlichen Initiativen, deren Förderprojekte empfindliche Schäden oder sogar schwere Zerstörungen zu verzeichnen hatten. Für solche Fälle legte die NRW-Stiftung ein Soforthilfeprogramm im Umfang von einer Million Euro auf, weitere 160.000 Euro erbrachte ein Spendenaufruf des Fördervereins. Bei Ortsbesuchen ließen sich der Stiftungspräsident sowie Mitglieder von Vorstand und Geschäftsführung die Situation überfluteter Projekte erläutern. Sie begegneten dabei Menschen, die sich auch weiterhin engagieren statt zu resignieren.

Das Rote Haus in Monschau, die historische Apotheke in Bad Münstereifel, der Wipperkotten in Solingen, die Muttenthalbahn in Witten: Diese und viele andere vom Hochwasser in NRW betroffene Stiftungsprojekte verteilen sich über einen Raum, der vom belgischen Grenzgebiet bis nach Westfalen reicht – von der Rur (ohne h) über Ahr, Erft und Wupper bis hin zur Ruhr (mit h). Aus all diesen Gegenden trafen Anträge auf Soforthilfe bei der NRW-Stiftung ein, die im ersten Schritt jeweils 5.000 Euro bereitstellte, um zum Beispiel Reinigungsarbeiten, elektrische Installationen oder die Anschaffung von Trocknungsgeräten zu finanzieren. Selbst bei Projekten, die mit dem sprichwörtlichen blauen Auge davongekommen sind, ist aber meist mehr zu tun. So blieb im „Roten Haus“, einem Museum für bürgerliche Wohnkultur in Monschau an der Rur, zwar die einzigartige Innenausstattung unbeeinträchtigt, der Fabrikantensitz aus dem 18. Jahrhundert erlitt aber dennoch Schäden bis hin zu Ausspülungen an einer Außenmauer. Schon die Begutachtung solcher Befunde kann einen erheblichen Kostenfaktor bedeuten.

Verschüttete Loks, verschwundene Säulen

Ein Bild des Chaos bot das „Gruben- und Feldbahnmuseum“ in Witten an der Ruhr. Das Museum, das auch unter der Bezeichnung „Muttenthalbahn“ bekannt ist, hat seinen Standort auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Theresia, wo ein Erdrutsch mehrere Lokomotiven verschüttete und die denkmalgeschützte Lokhalle teilweise zum Einsturz brachte. Die Spendenbereitschaft vieler Menschen, die das Muttental als Wiege des Ruhrbergbaus kennen, war angesichts des Unglücksfalls ermutigend. Dennoch bleibt es eine „Riesenaufgabe“, so Hannsjörg Frank vom Museumsverein, die beschädigten Fahrzeuge zu bergen, zu säubern und zu reparieren.

Noch im Aufbau befindet sich der Deilbachhammer in Essen-Kupferdreh. Der Deilbach ist ein Zufluss der Ruhr, der über viele Jahrhunderte hinweg ein Hammerwerk antrieb, das 1985 unter Denkmalschutz gestellt wurde, zu diesem Zeitpunkt allerdings in einem eher beklagenswerten Zustand war. Inzwischen wird seit einigen Jahren daran gearbeitet, es als Teil der „Museumslandschaft Deilbachtal“ zu reaktivieren. Drei Hammersäulen aus Eichenholz, jede anderthalb Tonnen schwer, lagen schon für den Einbau bereit, als die Juli-Flut sie einfach fortschwemmte. Es hätte einen Verlust von 45.000 Euro bedeutet, wären die hölzernen Kolosse nicht wiedergefunden worden. So aber kann man die berechtigte Hoffnung hegen, dass sich künftig wie geplant die Hammerstiele zwischen ihnen bewegen werden, denn die Wasserschäden haben den Deilbachhammer zwar zurückgeworfen, aber nicht vernichtet.

Schleifkotten unter Wasser

Heftig verwüsteten die Wassermassen der Wupper zwei Partnerprojekte der NRW-Stiftung in der Klingenstadt Solingen. Für eines davon – das Schleifermuseum im Balkhauser Kotten – war es nicht die erste Katastrophe: Das 1962 eröffnete Museum fiel 1969 einer Brandstiftung zum Opfer, wurde danach aber originalgetreu neu errichtet. Eigentümerin des Gebäudes ist die Stadt Solingen, hingegen werden Museum, Kottenlädchen und Außenanlagen vom „Kuratorium Balkhauser Kotten“ betreut. Die Vorsitzende Nicole Molinari: „Die Flut hat uns auf den Stand Null zurückgeworfen.

Mit massiven baulichen Schäden, einem verschlammten Trinkwasserbrunnen, ohne Heizung, ohne Strom wird es bis weit ins Jahr 2022 dauern, bis wir wieder öffnen können. Es müssen die Gefache erneuert werden, Teile des Gebälks. Das Wasserrad, die Welle und sogar die gemauerten Grabenwände haben große Schäden erlitten. Im Museum wirkte es, als habe ein Riese den Kotten gepackt, durch den Schlamm gezogen, kräftig durchgeschüttelt und fallen gelassen. Ich musste mit den Tränen kämpfen!“

Die Wupper ist seit der Flut acht Meter näher an den Kotten herangerückt, der Uferbereich hat sich verändert. Doch Molinari sagt: „Wir lassen uns nicht entmutigen, nutzen die Zeit, um im kommenden Jahr das zerstörte Museum mit einem neuen Museumskonzept wachzuküssen.“

Nicht weniger hart traf es den im frühen 17. Jahrhundert erstmals erwähnten Wipperkotten. In seiner Eigenschaft als Doppelkotten ist er an der unteren Wupper der letzte seiner Art. Der sogenannte Innenkotten, der sich in privater Hand befindet, wird heute als Wohnung, Atelier und Galerie genutzt. Im Außenkotten kann man hingegen zu bestimmten Terminen noch immer Klingen schleifen lassen. Von der Flut wurde die Gesamtanlage stark zerstört, die historische Ausstellung im Erdgeschoss des Außenkottens weitgehend vernichtet. Aufgeweichte Wände, verzogene Fenster und Türen sowie weggerissene Abdeckungen gehören mit zur verheerenden Bilanz. Das nahegelegene Wehr in der Wupper wurde offenbar ebenfalls beschädigt.

Es wird sehr hohe Summen erfordern, die beiden Schleifkotten wiederherzustellen, die übrigens beide bewohnt sind und auf diese Weise daran erinnern, dass es bei der Beseitigung der Hochwasserschäden zuallererst darum gehen muss, Menschen in Notlagen zu helfen. Das steht nicht im Widerspruch zu dem Anliegen, Kultur- und Naturschätze zu retten, ohne die es kaum möglich wäre, sich einer Region verbunden zu fühlen oder in ihr heimisch zu werden. Die NRW-Stiftung und ihr Förderverein betrachten die Wiederaufbauhilfe für geschädigte Projekte aus den Bereichen Kultur, Natur und Heimat daher als eine Aufgabe von grundlegender Bedeutung.

Ahr und Erft

Mit außerordentlicher Wucht wütete die Flut in der Eifel, insbesondere an der Ahr, die im nordrhein-westfälischen Blankenheim entspringt, später lange durch Rheinland-Pfalz fließt, um schließlich im Stadtgebiet Sinzig in den Rhein zu münden. Nicht weit entfernt von der Ahrquelle beginnt außerdem die knapp 107 Kilometer lange Erft ihren Lauf, die sich am 14. Juli ebenfalls in einen tobenden Strom verwandelte. Auf ihrem Weg Richtung Rhein, der sie durch drei NRW-Kreise mit den Städten Euskirchen, Bergheim und Neuss führt, riss sie Häuser, Brücken, Autos, Schienen und Bäume mit sich. Zahlreiche Tote waren zu beklagen.

Das Erfthochwasser richtete nicht zuletzt in Bad Münstereifel schwere Zerstörungen an und machte dabei nicht vor der historischen Schwanen-Apotheke Halt. Von 1806 bis 1994 generationenlang durch die Familie Bresgen geführt, dient die Apotheke mit ihrer Offizin, dem Hauptraum, heute als Museum. Günter Kirchner, Vorsitzender des Förderkreises für Denkmalpflege in der Stadt Bad Münstereifel e. V., schildert die aktuelle Situation so: „Als die Flutnacht Erdgeschoss und Keller des Museums zerstört hatte, war unsere erste Sorge die Erhaltung der Bausubstanz und die Notsicherung des Inventars, einschließlich der holzverkleideten Offizin. Jetzt steht die zweite Sanierungsphase an: Die Raumschale muss wiederhergestellt, die Funktion des Gebäudes mit Strom und Heizung gesichert werden. Auch die historische Tapete, die beim Ausbau der Offizin entdeckt wurde, soll restauratorisch erhalten werden. Phase 3 wäre dann die Restaurierung der Offizin und des Haupteingangs. Unser Ziel, wenn die Finanzierung klappt und es genug Handwerker gibt, ist der Wiederaufbau bis Ende 2022.“

Historische Bau- und Werkstoffe haben zwar gewisse Chancen von Wasserschäden wieder geheilt zu werden, Häuser mit Lehmausfachungen etwa können laut Denkmalpflege unter günstigen Umständen auf die gute Trocknungsfähigkeit des Lehms hoffen. Das Ausmaß von Not und Zerstörung bleibt indes verheerend. Umso wichtiger die Worte von NRW-Stiftungspräsident Eckhard Uhlenberg: „Für uns ist es selbstverständlich, unsere Projektpartner nach dieser schrecklichen Katastrophe zu unterstützen.“

Text: Ralf J. Günther

Renaturierung als Hochwasserschutz

Sintflutartige Regenfälle sind das eine – die Wasserläufe, in denen sie sich sammeln, das andere. Kanalisierte Flüsse, die mit hoher Geschwindigkeit durch betonierte Flächen strömen, sind bei steigenden Pegeln nur schwer daran zu hindern, Häuser oder sogar ganze Orte zu überfluten. Natürliche Flusslandschaften bieten hingegen Lebensräume für Pflanzen und Tiere, die mit regelmäßigen Überschwemmungen umgehen können. Wo solche artenreichen Auen noch existieren, tragen sie zur Zurückhaltung (Retention) von Wassermassen bei und vermögen deren Fließgeschwindigkeiten erheblich zu bremsen. Ein Paradebeispiel dafür bietet das Naturschutzgebiet Urdenbacher Kämpe zwischen Düsseldorf und Monheim, das zu den letzten regelmäßig überfluteten Auen des oberen Niederrheins gehört. Die NRW-Stiftung ist hier Eigentümerin von 165 Hektar Land sowie von Haus Bürgel, das auch die zuständige Biologische Station beherbergt.

Auen und Retentionsflächen werden von der NRW-Stiftung auch in anderen Landesteilen unterstützt, in Westfalen etwa an der Berkel, die bei Billerbeck im Münsterland entspringt und nach 114 Kilometern bei Zutphen (Niederlande) in die IJssel mündet. Zwischen Coesfeld und Vreden steht ein vierzig Kilometer langer Abschnitt des Flüsschens unter Schutz, sein Unterlauf wurde jedoch in früherer Zeit teilweise kanalartig begradigt. Hier begann die Nordrhein-Westfalen-Stiftung schon vor über 25 Jahren, Grundstücke zugunsten einer Renaturierung der Berkelaue zu erwerben.

In die Eifel, genauer gesagt auf das Gebiet der Stadt Blankenheim führt das von der NRW-Stiftung unterstützte Renaturierungsprojekt „Ahr 2000“. Bereits in den 1990er Jahren hat man hier an Ahr-Zuflüssen wie dem Mülheimer Bach Regenrückhaltebecken gebaut, Retentionsflächen geschaffen und Fließgeschwindigkeiten reduziert. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen scheint sich in der Juli-Flut bestätigt zu haben: Der Mülheimer Bach schwoll zwar stark an, vermochte aber den dadurch unmittelbar bedrohten „Forellenhof“ in Blankenheim nicht in ernsthafte Gefahr zu bringen. Ein Beispiel, das zur Nachahmung empfohlen ist.

Nach der Flut: Hilfe für Denkmäler

  • Der Vorstand der NRW-Stiftung hat unmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe ein Programm in Höhe von einer Million Euro für Stiftungsprojekte, die von der Flut betroffen waren, aufgelegt.
  • Auf www.nrw-stiftung.de finden Betroffene das Antragsformular und weitere nützliche Tipps und Hinweise zu Fördermöglichkeiten und Unterstützung, beispielsweise durch das Land NRW sowie die Denkmalämter der LVR und des LWL.
  • In den ersten Wochen haben zahlreiche Spenderinnen und Spender insgesamt mehr als 160.000 Euro für die betroffenen Stiftungsprojekte gespendet.
  • Wenn auch Sie helfen wollen: Spendenkonto des Fördervereins NRW-Stiftung e. V., IBAN DE34 3005 0110 1005 3905 37, Stichwort „Flutkatastrophe“. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!