Die Fassade der Oberen Mühle in Meckenheim besticht zwar nicht durch äußere Schönheit, verbirgt dafür aber ein funktionsfähiges technisches Innenleben von außergewöhnlicher Vollständigkeit. Doch nicht nur das Zusammenspiel von Mahlwerk, Elevatoren und Transmission verdient näheres Hinschauen, sondern auch das historische Beziehungsgeflecht, dem die Anlage entstammt. Mit unermüdlichem Engagement entwirren die Mitglieder des Vereins „Pro Obere Mühle Meckenheim e. V.“ schon seit vielen Jahren die Fäden eines verwickelten Rätselknäuels aus Geschichte und Gerätschaften.
Meckenheim liegt an dem kleinen Fluss Swist, auch Swistbach genannt, der in der Eifel bei Kalenborn entspringt. Nach rund 44 Kilometern mündet er in die Erft, die ihrerseits in den Rhein fließt. Wer dem Lauf des Flüsschens folgt, erlebt geschichtsträchtige Gegenden. Zum Beispiel erinnert die Rekonstruktion eines Bogenpfeilers in Meckenheim-Lüftelberg daran, dass die Überwindung des Swistbachtals einst zu den großen Herausforderungen für die römische Wasserleitung aus der Eifel nach Köln zählte. Die antiken Ingenieure meisterten das Problem durch einen zehn Meter hohen, rund anderthalb Kilometer langen Aquädukt mit fast dreihundert Bögen.
Streit und Prozesse
Das Mittelalter war zu technischen Leistungen antiken Ausmaßes nicht fähig, wusste aber sehr wohl, wie sich Mahlwerke per Wasserkraft steuern lassen – Voraussetzung auch für die Entstehung der Oberen Mühle in Meckenheim. Letztere taucht erstmals um das Jahr 1400 in den Urkunden auf, und zwar als Eigentum des Cassius-Stiftes in Bonn, jener geistlichen Einrichtung, deren ehemaliges Gotteshaus heute als Bonner Münster bekannt ist. Die Stiftsherren kümmerten sich aber nicht selbst um die Bewirtschaftung der Mühle, sondern verpachteten sie stattdessen adligen Lehnsleuten auf der nahen Tomburg (siehe Kasten). Da sich die Tomburger allerdings schon bald in heftige Streitigkeiten mit dem Cassius-Stift verwickelten, waren jahrzehntelange Nichtzahlung der Mühlenpacht, gewaltsame Übergriffe und zahlreiche Prozesse die Folge.
Man sieht der Oberen Mühle die Spuren der einstigen Turbulenzen nicht mehr an – kein Wunder, wurde ihr ältester noch existierender Teil, das Müllerhaus, im Kern doch erst im 18. Jahrhundert, das heutige Betriebsgebäude nach einem Brand sogar erst im frühen 20. Jahrhundert errichtet. Doch es ist bemerkenswert genug, dass die Anlage über alle Stürme eines halben Jahrtausends hinweg immer wieder erneuert wurde, bis schließlich das letzte Kapitel ihrer aktiven Geschichte aufgeschlagen wurde, als sie sich schon länger in Privathand befand. Dieserletzte Abschnitt begann 1921 mit der Umstellung zunächst auf Turbinen-, dann auf Diesel- und ab 1944 auf Elektroantrieb. Er endete 1972 mit der Stilllegung des zu diesem Zeitpunkt nicht mehr konkurrenzfähigen Mahlwerks.
Bedeutend für die Region
Während die Untere Mühle in Meckenheim bereits einige Jahre zuvor abgerissen worden war, entging die Obere diesem Schicksal, wodurch zugleich ihre technische Ausstattung aus dem frühen 20. Jahrhundert mitsamt Motor, Mahlwerken, Sackaufzügen, Sichtmaschine und vielen weiteren Details gerettet wurde. Mehrfach betonte das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland den Rang des 1987 unter Denkmalschutz gestellten „bedeutenden Zeugnisses für die Region“. Doch es ist vor allem der 2003 gegründete Verein „Pro Obere Mühle Meckenheim“, der für die dauerhafte Bewahrung der technischen Funktionsfähigkeit und für die historische Erforschung der Mühle sorgt.
Mit an Bord ist dabei Hans Günter van Deel, der zusammen mit seiner Frau Karin auch das Regionalbotschafterpaar bildet, das für die NRW-Stiftung im Rhein-Sieg-Kreis unterwegs ist. Expertise und Engagement des Bauingenieurs im Ruhestand kamen der historischen Mühlenanlage schon mehrfach zugute, auch nach der Juli-Flut des Jahres 2021, die den alten Elektromotor aus dem Jahr 1943 in Mitleidenschaft zog. Die NRW-Stiftung, die bereits 2015 die Restaurierung der Mühle gefördert hatte, half bei der Reparatur des unverzichtbaren Aggregats. Ohne sein Rumpeln wäre die Mühle bei Führungen nicht in Bewegung zu erleben, wichtig nicht zuletzt für die Grundschulklassen, die häufig zu Besuch sind, wie van Deel unterstreicht. Ganz klar: Die Obere Mühle möchte lebendige Geschichte von echtem Schrot und Korn für Jung und Alt bieten.
Text: Ralf J. Günther
Die Tomburg
Die Tomburg ist eine Burgruine in der heutigen Stadt Rheinbach, gelegen im Naturschutzgebiet Tomberg. Schon um das Jahr 1000 n. Chr. soll hier eine Schwester Kaiser Ottos III. gelebt haben, Mathilde, die mit dem rheinischen Pfalzgrafen Ezzo verheiratet war. Wir kennen aber auch den letzten Bewohner der Feste, einen Ritter namens Friedrich von Sombreffe, dessen ausgeprägte Streitlust den Herzog von Jülich so gegen ihn aufbrachte, dass er die Tomburg 1473 zerstören ließ. Friedrich, so will es die Sage, sei damals durch den in einen Geheimgang übergehenden Brunnenschacht entkommen, um den sich noch weitere märchenhafte Erzählungen ranken. Bei der Untersuchung und Sicherung des Brunnens, die von der NRW-Stiftung 2019 auf Antrag des „Freundeskreises Tomburg“ unterstützt wurden, blieben die geheimnisvolle goldene Wiege und der rätselhafte Schlüssel, von denen immer wieder die Rede ist, allerdings vorläufig noch unentdeckt.