Naturerbe mit 400 Falterarten

Falter-Vielfalt Materborn im Kreis Kleve

Falterarten

Foto: Marion Friedrich/arthropodafotos.de

Am Rande der Stadt Kleve robbten auf einem militärischen Übungsplatz früher Bundeswehrsoldaten durch Wald und Heide – für Zivilpersonen war der Zutritt verboten. Heute ist das 102 Hektar große Gebiet „Kleve-Materborn“ ein Landschaftsschutzgebiet und sichert einer artenreichen Fauna und Flora das Überleben. Eine aktuelle Bestandsaufnahme kam zu dem Ergebnis, dass auf dem ehemaligen Standortübungsplatz fast 400 unterschiedliche Falterarten vorkommen.

Unter den jüngst entdeckten Schmetterlingen sind Schön­heiten und Raritäten wie der Kleine Sonnenröschenbläuling, der Große Fuchs und der Birken-Sichelflügler. Jan Buchner aus Goch, der die Bestandsaufnahme in geduldiger ehrenamtlicher Arbeit durchführte, ist besonders stolz auf den Fund der Grünen Eicheneule: „Die Art galt viele Jahrzehnte lang am Niederrhein als ausgestorben, für den Kreis Kleve war es der erste Nachweis seit 71 Jahren!“ Bereits im Jahr 2016 erkundete Schmetterlings­forscher Buchner, langjähriges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V., die abwechslungsreiche Wald- und Wiesenlandschaft im Westen der Stadt Kleve. Kaum ein Jahr zuvor war das Gebiet zum „Nationalen Naturerbe“ erklärt und 2022 der NRW-Stiftung übertragen worden.

Falterfahndung mit Licht und Likör

Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag heute wie damals auf den Nachtfaltern, die Buchner teilweise mit Hilfe von speziellen Leuchtschirmen oder mit zucker- und alkoholhaltiger Köderflüssigkeit anlockte. Daneben verwendete er spezielle Pheromonfallen zur Erfassung tagaktiver Glasflügler. Die zierlichen Schmetterlinge mit transparenten Flügeln, die man leicht für Wespen oder Fliegen halten könnte, gehen Duftsignalen „auf den Leim“, die den Sexuallockstoffen der Weibchen nachgebaut sind. Einmal ident­ifiziert werden sie unversehrt entlassen und dürfen sich auf die Suche nach ihren richtigen Artgenossinnen machen.

Eine Insel der Artenvielfalt

Dass das Landschaftsschutzgebiet Materborn im Vergleich mit der Umgebung einen außerordentlichen Insektenreichtum aufweist, liegt daran, dass es von Düngung und Spritzmitteln verschont blieb: Bis zum Jahr 2008 gehörte es als militärischer Standortübungsplatz zur Bundeswehr-Kaserne Emmerich. Für die Ausbildung der Soldaten bot das Mosaik aus mageren Wiesen, Kleingewässern, offenen Sandflächen, Wald und Hecken eine ideale Manöverkulisse. Während außerhalb das Insektenleben unter dem Einfluß intensiver Landwirtschaft mehr und mehr verarmte, blieb die niederrheinische Insektenfauna auf dem Übungsplatz in ihrer ursprünglichen Fülle erhalten. 

Natur und Menschen zusammenbringen

Schon im 19. Jahrhundert wurde der Landschaftsausschnitt mit seinen eher armen Böden und einer Vegetation aus Sandmager­rasen, Heiden und Kiefernbeständen von Botanikern und Naturkundlern wegen der Vorkommen seltener Pflanzen und Tiere genannt. Damit das so bleibt, will die NABU-Naturschutzstation Niederrhein auch zukünftig mit Hilfe örtlicher Landwirte und eigener Einsätze eine extensive Pflege organisieren. Dietrich Cerff, Leiter der Station, sieht darin noch eine andere Chance: „Ein wichtiges Ziel unsererseits ist auf jeden Fall, diesen Reichtum der Tier- und Pflanzenwelt den Besuchern und Besucherinnen zu vermitteln.“ Wegen der Nähe zur Stadt Kleve wird das Gebiet nämlich gerne von Erholungssuchenden aufgesucht. Besucherinformation und -lenkung  werden deshalb in das Entwicklungskonzept integriert.

Text: Günter Matzke-Hajek

Blickpunkt

Das Gebiet Kleve-Materborn gehört zum „Nationalen Naturerbe“ und wurde im Jahr 2022 der NRW-Stiftung übertragen. Es wird von der NABU-Naturschutzstation Niederrhein und dem Bundesforstbetrieb Rhein-Weser betreut. Die nordrhein-westfälischen Naturerbeflächen sind überwiegend ehemalige militärische Liegenschaften mit hoher Bedeutung für den Naturschutz. Die aktuelle Studie zur Schmetterlingsfauna trägt dazu bei, besonders sensible und schutzwürdige Teilflächen zu identifizieren. Andere attraktive Bereiche dienen einem schonenden Natur-Erleben.

www.nabu-naturschutzstation.de