Der Berg, der eine Kuhle ist

 

Ehemalige Sandrgrube bei Niederkrüchten

Foto: Monika Deventer

Die Zeiten, in denen ein Bagger in der Grube Raderberg Sand schaufelte und auf Lastwagen verlud, liegen schon mehr als dreißig Jahre zurück. Aus der weitgehend offenen Mondlandschaft einer gewerblich genutzten Abgrabung bei Niederkrüchten-Brempt hat sich seither eine grüne Wildnis entwickelt, ein Refugium für manche seltene Pflanzen- und Tierart. Um möglichst vielen gefährdeten Lebensgemeinschaften eine Heimat zu geben, hat die NRW-Stiftung die ehemalige Abgrabung erworben, damit ihr Charakter als vielgestaltiger Offenland-Lebensraum erhalten bleibt.

Einen Berg gab es hier nie zu erklimmen, allenfalls eine unauffällige Geländeterrasse, wenn man aus der Schwalmniederung vom Raderveekes Bruch oder dem Lüttelforster Bruch ostwärts spazierte. Der alte Flurname Raderberg bezeichnete ursprünglich das Ackerland des benachbarten Hofes. Mittlerweile bedeckt ein Mosaik aus Staudenfluren, wiesenartigen Brachen und Weidengebüschen die Sohle der Grube. Steilwände, die einst die Grenze zur Umgebung bildeten, gibt es nur noch an wenigen Stellen, die meisten Böschungen sind heute abgeflacht und von Bäumen und Gebüschen bewachsen, gleich dahinter beginnt niederrheinisches Ackerland mit Getreide und Kartoffeln.

Ein störungsarmes Refugium

Zum Artenreichtum der ehemaligen Abgrabung tragen mehrere von Röhrichten gesäumte Tümpel und Teiche bei, in denen im Frühjahr Berg- und Teichmolch, Grasfrosch und Erdkröte laichen. Die Kleingewässer verdanken ihre Existenz einer natürlichen Schicht aus Tonsedimenten im Untergrund. Für die stark gefährdete Kreuzkröte, die hier in den 1990er-Jahren noch beobachtet wurde, sind die Wasserlöcher heute wohl zu pflanzenreich. Die Art braucht Rohböden und eher flache, unbewachsene Tümpel, die sich im Frühjahr rasch erwärmen. Dafür brütet im angrenzenden Staudendickicht jetzt der stimmbegabte Sumpfrohrsänger, und während der Zugzeit rastet an den Teichen gelegentlich der scheue Waldwasserläufer, ein Schnepfenvogel aus dem hohen Norden.

Besonders artenreich vertreten sind Libellen, Schmetterlinge und andere Insekten: Mehr als ein Dutzend Heuschreckenarten wurden hier im Lauf der Jahre registriert, darunter die stark gefährdete Westliche Dornschrecke. Und auch für viele solitär nistende Sand-, Seiden- und Blattschneiderbienen sind an den Rändern der Grube geeignete Lebensräume vorhanden. Die oft stark spezialisierten Arten brauchen für ihre Brutröhren lockeren, offenen Boden. Solche Stellen mit spärlichem Pflanzenwuchs liebt gleichfalls die Zauneidechse, die nach wie vor im Gebiet vorkommt – hier kann sie sich sonnen und Ameisen und Käfer erbeuten.

Gehölze beseitigen – eine Daueraufgabe

Im Jahr 2021 wechselte die 17 Hektar große Abgrabung ins Eigentum der NRW-Stiftung, wobei die Kosten für die so genannte Erstpflege im Kauf eingepreist waren. Damit ist das Beseitigen von unerwünschten Gehölzen und das Abfahren des Strauchschnitts gemeint. Auch zukünftig werden solche Aktionen regelmäßig notwendig sein, andernfalls würde die Abgrabungsfläche innerhalb weniger Jahre mit Birken und Weiden zuwachsen. In begrenztem Umfang sind Bäume und Gebüsche eine Bereicherung, ein flächendeckender Birkenwald würde aber das Aus für viele gefährdete Pflanzen und Tiere bedeuten. Bisher hat sich der rührige NABU-Bezirksverband Krefeld/Viersen regelmäßig um die Pflege gekümmert. Fachkundig begleitet wurden die meist winterlichen Einsätze vom Personal der Naturschutzbehörde des Kreises Viersen. Mit einer wechselnden Zahl ehrenamtlicher Helfer und Helferinnen wurde so die Uhr immer wieder zurückgedreht. Vielleicht wird der Pflegetrupp in Zukunft von einer Herde Schafe oder genügsamer Rinder unterstützt, für die das Kurzhalten von zu üppigem Bewuchs quasi ein Lebensinhalt darstellt. Auf der Agenda des NABU steht jedenfalls ein Entwicklungskonzept, das den Einsatz der Vierbeiner vorsieht, und Gespräche mit örtlichen Landwirten haben dazu auch schon stattgefunden.

Text: Günter Matzke-Hajek

Blickpunkt

Im Jahr 2021 erwarb die NRW-Stiftung die alte Sandgrube Raderberg bei Niederkrüchten-Brempt. Das 17 Hektar große Gebiet beherbergt unterschiedliche Offenland-Lebensräume mit regional seltenen oder gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Durch den Ankauf der NRW-Stiftung soll das Gebiet langfristig für den Naturschutz gesichert werden. Infos: www.nabu-krefeld-viersen.de