Denkmalschutz mit Kugelgürteltier

Südamerikahaus im Kölner Zoo

Südamerikahaus Kölner Zoo

Foto: Ralf Schlösser

Im Jahr 1860 wurde der Kölner Zoo gegründet, älter sind in Deutschland nur die zoologischen Gärten von Berlin und Frankfurt. Die damalige Zooarchitektur versuchte sich oft an Imitationen historischer oder exotischer Baustile, man plante zum Beispiel Burgen für Bären oder Orientkulissen für Elefanten. Wo Zoobauten dieser Epoche noch vorhanden sind, stehen sie als Zeugen der Geschichte meist unter Denkmalschutz. Ihre praktische Nutzung erfordert Aufwand und Ideen. Das Südamerikahaus des Kölner Zoos, das vor über 120 Jahren als Vogelhalle im „russischen“ Stil errichtet wurde, ist nach jahrelanger Restaurierung nun wieder für die Zukunft gewappnet.

Köln wäre nicht Köln, wenn es für den Architekten der 1899 errichteten Vogelhalle keinen Spitznamen gehabt hätte. Alfred Müller vom Büro Müller & Grah war bekannt als „et Müllerche“. Von ihm stammte unter anderem die Fassade eines sehr schmalen Kölner Wohnhauses, das den Ehrentitel „Zum gequetschten Baumeister“ erhielt, als dort der Stadtbaumeister Josef Stübben einzog. Für den Zoo hatte Müller 1887 bereits die Seelöwenanlage entworfen, das Vogelhaus war indes ein ehrgeizigeres Vorhaben. Es wurde nahe der Direktorvilla als prachtvoller Stilbau von beachtlichen Dimensionen errichtet. Eine Gestaltung nach orientalisch-islamischem Vorbild hätte sich dabei angeboten, war „maurische“ Architektur seinerzeit doch stark verbreitet, auch außerhalb von Zoos, wie etwa Berlins berühmte Neue Synagoge von 1866 unterstreicht. Der Kölner Zoo besaß aber bereits ein maurisches Antilopenhaus, das zwischenzeitlich sogar zur Elefantenanlage mit Indienflair erweitert worden war. Man wählte daher ein anderes Vorbild für das Vogelhaus — eine russisch-orthodoxe Kirche mit vier Türmen.

Ferne Welt daheim

Zooarchitektur mit exotischem Erlebnischarakter hat heute noch Konjunktur. Die weithin bekannte Elefantenanlage im Zoo Hannover beispielsweise, die einen vom Dschungel überwucherten Maharadscha-Palast darstellt, wurde erst 1997 erbaut und seitdem mehrfach ergänzt. Völlig anders war hingegen die gesellschaftliche Situation des späten 19. Jahrhunderts. Es gab weder TV noch Internet, und an Reisen in ferne Länder war für einen Großteil der Menschen nicht zu denken. Man ließ sich stattdessen von der Abenteuerliteratur Karl Mays in fremde Zonen versetzen und staunte die sogenannten Völkerschauen an, die uns so fragwürdig erscheinen. Ein Bauwerk, das sich aus Russland an den Rhein verirrt zu haben schien, musste da überwältigend wirken.

Im Laufe seiner langen Geschichte erlebte das Vogelhaus zahlreiche Veränderungen, darunter leider schwere Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Innenraum und Dachkonstruktion entsprachen bei der Wiedereröffnung 1952 daher nicht mehr dem ursprünglichen Zustand. Die Nutzung des Hauses hatte sich schon länger gewandelt, anstelle der Vögel lebten nun Menschenaffen darin. Erst als diese 1985 eine neue Anlage bekamen, wurde ihre bisherige Unterbringung zum Südamerikahaus. Dieses Haus war allerdings vor einigen Jahren in einem so beklagenswerten Zustand, dass sich der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz zu einer strategischen Partnerschaft mit dem Kölner Zoo entschloss. Das Ziel: Die Rettung eines herausragenden Denkmals der Zoogeschichte.


Regenwald, Etage 1

Zwei Jahre Arbeit – von April 2019 bis März 2021 – erforderte es, bis das alte Vogelhaus von außen wieder so aussah wie bei seiner Eröffnung 1899, originalgetreuer Farbanstrich inklusive. Im Innern wurde der Bau kernsaniert und energetisch verbessert. Hier wartet jetzt der Dschungel auf die neugierigen Menschen, die ihn erkunden wollen. Sie dürfen sich auf tropische Pflanzen und die Tierwelt Mittel- und Südamerikas freuen, auf Affen, Vögel, Amphibien, Fische, Reptilien und diverse Kleinsäuger. Erschlossen wird der Kölner Regenwald durch einen erhöhten Steg, auf dem man wie im ersten Stock mitten durch das Hauptschiff des Gebäudes wandelt, auf Augenhöhe mit Faultieren, das südliche Kugelgürteltier zu Füßen. Ein außerordentliches bürgerschaftliches Engagement hat all das mit ermöglicht. Allein vom Förderverein des Kölner Zoos kamen 200.000 Euro. Zum Dank für eine Großspende an den Zoo wurde das Gebäude außerdem in „Arnulf-und-Elizabeth-Reichert-Haus“ umbenannt. Die NRW-Stiftung half, um den Erhalt eines ebenso außergewöhnlichen wie attraktiven Denkmals zu sichern.

Text: Ralf J. Günther

 

Blickpunkt

Die Sanierung des 1899 im Stil einer russischen Kirche erbauten „Großen Vogelhauses“ im Kölner Zoo, das inzwischen als Südamerikahaus dient, bedeutete zugleich die Bewahrung eines herausragenden Baudenkmals. Aus diesem Grund half die NRW-Stiftung bei der Realisierung des aufwendigen Vorhabens, für das sich u. a. der „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V.“ und die „Freunde des Kölner Zoos e.V.“ engagiert haben.
www.koelnerzoo.de/auerhaus