Für ein Miteinander
von Hase, Rebhuhn und
Landwirtschaft

LEPUS NRW

Lepus NRW

Foto: Stiftung Westfälische Kulturlandschaft

Gemeinsam für mehr Vielfalt: Das von der NRW-Stiftung exklusiv geförderte Projekt LEPUS will Landeigentümern und -nutzern helfen, die Natur in die Agrarlandschaft zurückzubringen.

Fast im Wochentakt schlagen Umweltschützende Alarm, melden sich Wissenschaftler mit neuen Erkenntnissen zum Ausmaß der ökologischen Krise zu Wort: Heute leben bei uns 14 Millionen Vögel weniger als noch vor gut zwei Jahrzehnten, die Insektenbestände sind vielerorts im freien Fall und die Roten Listen der bedrohten Arten werden immer länger. Egal, ob es um Vögel, Säugetiere, Amphibien oder Pflanzen geht – auch in NRW befindet sich die Natur trotz einiger ermutigender Fortschritte beispielsweise in Sachen Luftverschmutzung in der Krise. Und wie überall ist auch bei uns die Artenvielfalt vor allem in den stark landwirtschaftlich genutzten Regionen besonders gefährdet.

Doch es gibt auch Positives zu vermelden. Überall versuchen engagierte Initiativen, den Artenrückgang zu stoppen. Und nicht selten sind Landwirtinnen und Landwirte mit an Bord. Auch sie wollen eine bunte, vielfältige und reich strukturierte Landschaft erhalten. Und klar ist: Das Ziel, wieder mehr Summen, Brummen und Zwitschern in die Landschaft zu bringen, mehr Insekten und Vögel fliegen, Käfer krabbeln und Frösche hüpfen zu sehen, kann nur erreicht werden, wenn alle mitziehen: Bürgerinnen und Bürger, Landnutzerinnen und -nutzer sowie politische Entscheidungstragende. 

LEPUS soll wieder mehr Leben in die Landschaft bringen

Diesen Ansatz verfolgt auch das von der NRW-Stiftung exklusiv geförderte Projekt LEPUS: „Naturschutz ist dann am wirkungsvollsten, wenn er gemeinsam mit den Landnutzern geplant und umgesetzt wird und das sind oft engagierte Landwirte, Jäger oder Imker“, umreißt Projektmanager Hendrik Specht die Philosophie hinter LEPUS.

In dem Projekt ist der Name Programm: Einerseits steht er für die wissenschaftliche Bezeichnung des Feldhasen Lepus europaeus, einer der am stärksten durch die Intensivlandwirtschaft in Bedrängnis gebrachten Tierarten. LEPUS steht aber auch für das Motto des Projekts: Lebensräume erhalten, planen und schützen. Konkret geht es darum, inmitten der für viele Regionen NRWs bestimmenden offenen Agrarlandschaft Inseln mit Lebensräumen für Tierarten wie Rebhuhn, Fasan, Grau- oder Goldammer, Kiebitz oder eben den Feldhasen zu erhalten oder wieder neu zu schaffen. Dazu stehen Experten des Projekts in Münster, Herford, Wesel und Bonn bereit. Sie beraten in den drei Projektgebieten Münsterland, Ostwestfalen und Rheinland interessierte Landnutzende, wie sie auf ihrer Fläche Naturräume erhalten und vor allem neu schaffen können. Ihre Ziele und Maßnahmen stimmen sie dabei mit den lokalen Biologischen Stationen ab.

Und sie helfen ihnen, die richtigen Fördertöpfe für Naturschutzmaßnahmen zu finden. „Viele Landwirte, Jagdgenossenschaften oder Imker sind sehr guten Willens und engagiert“, sagt Specht. „Sie wollen etwas für den Erhalt der Natur bei sich tun, aber sie können einfach nicht neben ihrem Kerngeschäft etwa als Landwirtin oder Landwirt immer in jedem Detail die komplexen ökologischen Fragen durchdringen, welche Maßnahme die richtige ist und sich gleichzeitig auch noch im komplizierten Geflecht der finanziellen Förderung auskennen“, erläutert er.

Hier will LEPUS helfen: Als Lotse sowohl durch den Antragsdschungel als auch als Garant für ökologisch sinnvolle und passgenau auf die jeweiligen Zielarten zugeschnittenen Maßnahmen. Denn LEPUS will auch etwas Zählbares für die Natur erreichen. Deshalb geht es darum, die richtigen individuellen Maßnahmen zu entwickeln, die nicht nur gut gemeint, sondern auch wirksam sind.

Dazu gibt es im Projekt die sogenannten Leitarten: vom Rebhuhn bis zum Kiebitz, vom Feldhasen bis zum Fasan. Die Palette, mit welchen konkreten Maßnahmen einer der ausgewählten Leitarten geholfen werden kann, ist groß: Mal ist die Anlage eines Blühstreifens das Mittel der Wahl, mal können Hecken als (Über-)Lebensräume aufgewertet werden, indem sie gepflegt oder neu angelegt werden und manchmal kann ein zugewachsener Teich mit einfachen Mitteln wieder zum Leben erweckt werden. „Es reicht nicht, mit der Gießkanne irgendwelche Maßnahmen über die Fläche zu verteilen“, sagt Specht. Leben kehre dann zurück, wenn eine Maßnahme zum jeweiligen Gebiet und den Arten passt, die besonders gefördert werden sollen. „Eine niedrige Hecke oder eine Brache hilft dem Rebhuhn in der ansonsten offenen Feldflur mehr als versteckt hinter einem Waldrand“, erläutert Specht. „Die Projektidee von LEPUS NRW ist überzeugend. Durch die Zusammenarbeit vieler Partnerinnen und Partner aus Naturschutz und Landwirtschaft wird der Artenschutz nachhaltig verbessert“, ist sich Eckhard Uhlenberg, Präsident der NRW-Stiftung, sicher.

Ein Paradies für Artenvielfalt entsteht manchmal von ganz allein.

Besonders wichtig ist ein Lebensraum, der beinahe ganz verschwunden ist, aber durch Nichtstun rasch wieder entstehen kann: Zeitweise oder dauerhaft nicht genutzte Brachflächen sind heute ökologische Juwelen in einer Landschaft, in der aus ökonomischen Zwängen heraus ansonsten beinahe jeder Quadratmeter das ganze Jahr über genutzt wird. Brachen sind dann besonders wertvoll als (Über-)Lebens- und Nahrungsräume für Insekten und damit auch für Vögel und andere Tiere, wenn dort für die Region typischen Kräutern und Pflanzen erlaubt wird zu sprießen. Dann bieten die „verwilderten“ Flächen Braun- und Schwarzkehlchen, Rebhuhn und Fasan, Feldhase und manchmal sogar noch dem Feldhamster Nahrung und Schutz zugleich. Und die durch Nichtstun entstehende bunte Blütenpracht ist zugleich eine Augenweide für die Menschen.

Großes Interesse bei Landnutzenden

Obwohl das LEPUS-Team coronabedingt erst in den Sommermonaten richtig durchstarten konnte, ist das Interesse bereits groß, wie Specht berichtet. So haben sich in der Region Münsterland schon über 20 Interessenten beworben: aus Jagdgenossenschaften, Landwirtschaft wie auch Zusammenschlüssen verschiedener Nutzergruppen. Auch in den beiden anderen Projektgebieten startete LEPUS vielversprechend. Wenn erst einmal die angelaufenen Projekte sichtbare Früchte tragen und sich das Programm weiter herumgesprochen hat, rechnen die Projekt-Macher mit noch mehr Interessenten. “Wir erwarten einen Schneeballeffekt“, sagt Specht.

„Das Wichtigste ist, dass wir Menschen finden, die Lust daran haben, der Natur in ihrem Revier wieder mehr Platz einzuräumen“, sagt der Projektkoordinator. „Es muss Spaß machen, dabeizusein.“ Der Ansatz von LEPUS passt in die Zeit. Wenige Monate nach dem Projektstart verkündete die Europäische Kommission ihren Rettungsplan für die Natur in Europa. Einer der Kernpunkte lautet: Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen auf zehn Prozent der Ackerflächen wieder naturnahe Strukturen entstehen: Hecken, Brachen, Blühstreifen: ganz nach dem Geschmack von Rebhuhn, Fasan und LEPUS europaeus.

Text: Thomas Krumenacker

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung ist exklusive Förderin von LEPUS. Dazu zählt die zunächst auf drei Jahre festgesetzte Finanzierung von Beratern in den drei Projektgebieten Münsterland, Ostwestfalen und Rheinland. Sie helfen in Landwirtschaft, Jagd und anderer Landnutzung dabei, Konzepte zur Schaffung naturnaher Strukturen in der intensiven Agrarlandschaft zu entwickeln und umzusetzen. So soll Rebhuhn, Feldhase und Co. eine Koexistenz mit der Landwirtschaft ermöglicht werden.