Unsere Moore

 

Moore in NRW

Foto: Bernhard Kuhlmann

Foto: Bernhard Kuhlmann

Früher waren sie Orte harter Arbeit unter entbehrungsreichen Bedingungen. Heute sind sie Oasen der Ruhe und Erholung für Natur und Menschen: Der Blick auf unsere Moore – oder das, was von ihnen übrig geblieben ist – hat sich stark gewandelt. Wo nach jahrhundertelanger Ausbeutung heute in NRW und darüber hinaus noch Reste intakter Hoch- und Niedermoore erhalten sind, werden sie als ökologische Alleskönner geschätzt und geschützt. Die nassen Lebensräume sind Refugien für viele hochspezialisierte und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten, sie sind unverzichtbare Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel und sie sind Erholungsraum – manchmal noch mit einer Spur Schaudern.

Unheimliche Geräusche, verwunschene Wesen und verlorene Seelen: Solche Assoziationen prägten das Bild vieler Menschen zum Moor über lange Zeit. „O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn“, dichtete Annette von Droste-Hülshoff in ihrer Ballade „Der Knabe im Moor“ und gab der zur Mitte des 19. Jahrhunderts verbreiteten Einstellung zu dieser Landschaft damit eine Stimme. Seitdem hat sich einiges verändert. Aus der legendenumwobenen Grusellandschaft ist mittlerweile ein Hoffnungsträger für eine grünere und nachhaltigere Zukunft geworden. Keine andere Landschaft hat innerhalb einer historisch so kurzen Zeitspanne einen vergleichbaren Imagewandel erlebt wie das Moor. Das liegt vor allem daran, dass die wissenschaftliche Forschung in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gemacht hat, dass die einst geschmähten nassen Landschaften unverzichtbar im Kampf gegen den Klimawandel sind.

Moore sind Klimaschützer

Denn kein anderer Lebensraum speichert gemessen an seiner Fläche mehr Treibhausgase als das Moor: Weltweit bedecken Moore nur drei Prozent der Landfläche, speichern in ihrem Torf aber beispielsweise doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder des Planeten zusammen, die zehnmal so viel Fläche bedecken. Diese phänomenale Fähigkeit verdankt das Moor seiner charakteristischen Eigenschaft: der Nässe. Unter Wasser herrscht Sauerstoffmangel und abgestorbene Pflanzenteile können so nicht zersetzt werden. Über viele Jahrtausende hinweg entsteht auf diese Weise aus dem abgelagerten organischen Material der für Moore charakteristische weiche Torfboden. Wichtige „Nebenwirkung“ dabei: Der in den Pflanzen enthaltene Kohlenstoff wird durch die Einlagerung im Torf langfristig gebunden. Das macht die Moore zu Klimaschützern erster Güte.

Die Rechnung vom Moor als Klimaschützer gilt aber auch andersherum: Werden Moore entwässert, kommt der Torf in Kontakt mit Sauerstoff. Dabei entweicht der gespeicherte Kohlenstoff wieder als Treibhausgas CO2. Die Folge: Trockene Moore wandeln sich vom gigantischen Speicher der Treibhausgase in einen riesigen Ausscheider. Statt den Klimawandel zu bremsen, heizen sie ihn weiter an. Weltweit sind trockengelegte Moore heute für mehr Treibhausgas-Ausstoß verantwortlich als alle Emissionen des Flugverkehrs zusammen. Auch bei uns wurden Moore im großen Stil entwässert. So sehr, dass die meisten kaum noch als Moore zu erkennen sind. Sie präsentieren sich heute als Wiesen, Weiden oder sogar als Äcker. Mehr als 90 Prozent der Moorböden wurden in Deutschland entwässert – und das hat Folgen: Jahr für Jahr entweichen daraus mehr als 50 Millonen Tonnen Treihausgase – nach Daten des Bundesumweltministeriums gehen damit mehr als sieben Prozent aller Treibhausgas-Emissionen auf das Konto der Moorzerstörung.

Moore sind aber nicht nur unentbehrliche Klimaschützer, sie bieten auch vielen hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum und sie regulieren den Wasserhaushalt und leisten damit ähnlich wie Auen (siehe NRW-Magazin 1/2022) auch einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz. In Zeiten des Klimawandels und der damit verbundenen Dürre besonders wichtig: Sie halten das Wasser in der Landschaft.

Auch NRW will Moorschutz voranbringen

Gründe genug also für den Moorschutz in NRW. Auch die Landesregierung will ihn vorantreiben, wie Umweltminister Oliver Krischer versichert. Auf Basis eines Konzepts des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) soll ein Plan zur landesweiten Wiederherstellung von Mooren aufgelegt werden. Aktuell gibt es in Nordrhein-Westfalen nur noch etwa 2.100 Hektar an Moorlebensräumen – der überwiegende Teil davon Niedermoore. Trotz großer Anstrengungen durch Naturschützer und Behörden sei deren Zustand größtenteils schlecht, konstatierten jüngst Fachleute des LANUV bei einer Fachtagung. Auch der Klimawandel erschwert die Lage. Wassermangel während der Vegetationsperiode und sinkende Grundwasserstände setzen die Nass-Biotope weiter unter Druck. Auch die vielerorts in NRW immer noch deutlich zu hohen Stickstoffeinträge durch die Landwirtschaft belasten den empfindlichen Lebensraum, so das Fazit der Expertinnen und Experten.

Auch für die NRW-Stiftung ist das Engagement für den Moorschutz seit vielen Jahren ein wichtiges Fördergebiet, zum Beispiel im Großen Torfmoor, das sich nördlich des Wiehengebirges zwischen Minden und Lübbecke in Ostwestfalen auf mehr als 500 Hektar Fläche erstreckt.

Das größte verbliebene Hochmoor des Landes ist ein Paradebeispiel dafür, dass der Moorschutz trotz aller Probleme Erfolgsgeschichten schreiben kann. Naturschutz, Kreis, Land und Europäische Union haben dort Hand in Hand gearbeitet und das Hochmoor in einem mehrjährigen Renaturierungsprojekt zwischen 2003 und 2008 im Wortsinne wieder zum Erblühen gebracht. Es galt, Entwässerungsgräben zu versperren, viele Kilometer Dämme gegen den Abfluss des Wassers aus dem Hochmoor zu errichten und nach der Trockenlegung entstandene Gehölze wieder zu entfernen.

So entstand wieder eine weitgehend offene, wiedervernässte Kernzone mit ausgedehnten Moorgewässern. Das Land NRW kaufte umfangreich Flächen, sodass mittlerweile ein Großteil des Naturschutzgebietes im öffentlichen Eigentum steht und damit langfristig gesichert ist. „Mit dem Wasser kehrte auch das Leben zurück“, sagt Lothar Meckling. Der Naturschützer des NABU kennt das Gebiet vor und nach der Wiedervernässung. Der Kontrast ist beeindruckend: Dort, wo es sogar einmal Pläne gab, den Müll der Hauptstadt Berlin zu deponieren, blüht, quakt und flötet es wieder in jeder Ecke.

Hunderte Moorfrösche, mehr als ein Dutzend Bekassinen, der Große Brachvogel und inzwischen drei Kranich-Paare schreiten hier – zwischen Teppichen aus weißem Wollgras und violett blühender Besenheide – wieder zur Brut. Botanische Besonderheiten wie Sonnentau, Lungenenzian, die hochmoortypischen Torfmoose und das Weiße Schnabelried haben ebenso wieder ansehnliche Bestände wie die typischen Moorlibellenarten. Mit etwa 15 Brutpaaren ist das Moor der wohl wichtigste einzelne Brutstandort der vom Aussterben bedrohten Bekassine in NRW. Das Gebiet ist heute das wertvollste und artenreichste Hochmoor des Landes und leistet damit einen wertvollen Beitrag zum Arten- und zum Klimaschutz.

Für Naturschützer Meckling ist das Große Torfmoor ein Paradebeispiel für eine gelungene Verbindung von Natur- und Klimaschutz durch Renaturierungsmaßnahmen. „Wir wissen, wie es funktionieren kann, und die gesellschaftliche Rückendeckung für mehr Moorschutz und Wiedervernässung ist vorhanden“, sagt er. Und in der Tat gibt es auch anderorts in NRW zahlreiche weitere Initiativen zum Schutz der verbliebenen Hoch- und Niedermoore.

Statt Müll – wie in den 1970ern erwogen – könnte demnächst Unterstützung aus Berlin für die Moore NRWs kommen. Umweltministerin Steffi Lemke will bis 2026 in allen Bundesländern mit insgesamt vier Milliarden Euro Maßnahmen zum natürlichen Klimaschutz unterstützen. Moor-Wiedervernässung steht dabei ganz oben auf der Liste geförderter Maßnahmen.

Wie groß die Aufgabe allein aus Sicht des Klimaschutzes ist, zeigen Berechnungen von Wissenschaftlern. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen demnach allein in Deutschland in jedem Jahr mindestens 50.000 Hektar Moorböden wiedervernässt werden – eine Fläche fünfzigmal so groß wie die Möhnesee-Talsperre.


Moor – Ein Klimaschützer mit vielen Gesichtern

„Moor muss nass“: So lautet kurz und knapp der Leitspruch in der Moorforschung und beim Schutz für den bedrohten Lebensraum. Denn Moore haben je nach Alter und Standort zwar viele Gesichter, aber eine unverzichtbare Gemeinsamkeit: Sie entstehen überall dort, wo der Boden zumeist ganzjährig nass ist. Wasser ist damit das verbindende Element aller Moortypen und -stadien. Der Prozess der Moorbildung verläuft äußerst langsam: Um nur einen Millimeter wächst die Torfschicht im Moor pro Jahr – bis in einem Hochmoor ein Meter Torf entsteht, dauert es tausend Jahre. Verfeuert ist der Torf dagegen in wenigen Stunden. Die Moore Mitteleuropas entstanden größtenteils nach dem Ende der letzten Eiszeit. Sie sind somit Zeugen von 12.000 Jahren Landschaftsgeschichte.

Moore gibt es auf allen Kontinenten, in allen Klimazonen und in den verschiedensten Lebensräumen von der Arktis bis in die Tropen. Moor ist also nicht gleich Moor. Es gibt aber zwei Haupttypen: Hoch- und Niedermoore – die Zwischenstadien werden als Übergangsmoore bezeichnet. Der wichtigste Unterschied zwischen Hoch- und Niedermoor ist die Art der Wasserzufuhr.

Hochmoore
… werden ausschließlich durch Niederschlagswasser gespeist und haben keinen Kontakt mehr zum Grundwasser und zum Mineralboden. Natürliche Hochmoore sind auch deshalb sehr nährstoffarm und haben einen sehr niedrigen pH-Wert. Wegen dieser extremeren Bedingungen beherbergen Hochmoore vergleichsweise wenige, allerdings hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten, die wie ihr verbliebener Lebensraum oft stark bedroht sind.

Niedermoore
… dagegen sind vom Wasser aus dem Boden abhängig. Sie entstanden in feuchten Senken, an Quellen oder in Flussniederungen und stehen in Verbindung zum Grundwasser. Aufgrund ihres vergleichsweise hohen Nährstoffgehaltes ist in Niedermooren die Tier- und Pflanzenwelt wesentlich artenreicher als in Hochmooren. Das Übergangsstadium vom Nieder- zum Hochmoor wird als Übergangsmoor bezeichnet. Diese Moore speisen sich sowohl über Grund- als auch über Regenwasser. Bei ausreichenden Niederschlägen können daraus Hochmoore entstehen.

Weil Moore so vielfältig in ihrer Erscheinung und Ökologie sind und weltweit ein extremes Spektrum von Lebensräumen prägen, sind sie für viele Tier- und Pflanzenarten überlebenswichtig – nicht weniger als 40 Prozent aller weltweit vorkommenden Arten leben in Feuchtgebieten.

Das Engagement der NRW-Stiftung

Der Schutz der verbliebenen Moore in NRW in seiner ganzen Breite – vom Flächenkauf zur Sicherung von Lebensräumen bedrohter Arten über die Schaffung von Lehr- und Erlebnispfaden bis zur Förderung von Umweltbildung durch Ausstellungen und Informationsbroschüren ist seit vielen Jahren ein wichtiger Förderschwerpunkt der NRW-Stiftung.

In allen Landesteilen unterstützen wir den Flächenerwerb in Hoch-, Nieder-, Hang- und Quellmooren und helfen so, viele der wichtigsten verbliebenen Moorkomplexe in NRW zu bewahren oder weiterzuentwickeln.

Hochmoore wie im Emsdettener Venn im nördlichen Münsterland oder am Hohen Venn im deutsch-niederländisch-belgischen Grenzgebiet gehören ebenso dazu wie Niedermoorgebiete im Haart-Venn im Kreis Borken oder Hang- und Quellmoore wie Brauke und Immerkopf im Märkischen und Oberbergischen Kreis. Im größten Hochmoor des Landes, dem Großen Torfmoor, finanzierte die NRW-Stiftung eine Dauerausstellung im Informationszentrum Moorhus und einen Audio-Guide für den zehn Kilometer langen Rundweg durch das Moor. Infos: www.nrw-stiftung.de

Text: Thomas Krumenacker

Was kann jede und jeder Einzelne für den Moorschutz tun?

Moorschutz ist Klima- und Naturschutz in einem und geht damit uns alle an. Und jede und jeder kann einen Beitrag leisten. Die einfachste Möglichkeit ist es, auf torfhaltige Blumenerde zu verzichten. Bis heute werden auch mitten in Europa in großem Maßstab Moore zerstört, um nährstoffreiche Blumenerde für Gärten zu gewinnen. Dabei gibt es ausreichend torffreie Alternativen. Allerdings ist wirklich torffreie Erde nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Bezeichnungen wie „torfarm“ oder „torfreduziert“ täuschen darüber hinweg, dass auch in diesen Produkten oft erhebliche Mengen Torf enthalten sind.

Auch „Bio-Erde“ kann Torf enthalten. Umweltverbände empfehlen, auf das RAL-Gütesiegel zu achten. Dieses garantiere ein hochwertiges und ökologisch gutes Produkt. Wer die Sache noch etwas grundsätzlicher angehen will – und gleichzeitig etwas für heimische Vögel und Insekten tun will – gibt einheimischen Gartenpflanzen den Vorzug vor exotischen Arten wie Rhododendren. Übrigens: Auch der gute alte Kompost enthält alle wichtigen Nährstoffe für eine bunte Blütenpracht ganz ohne Torf.

Auch über die Ernährung lassen sich Klima und Moore schützen, denn die Nachfrage nach tierischen Produkten und der Futteranbau für ihre Produktion erhöht zum einen den Druck auf die verbliebenen Moorflächen. Zum anderen macht der Konsum von Fleisch und Milchprodukten einen großen Teil der Treibhausgasemissionen aus, die auf den Sektor Ernährung fallen. Die Klimaauswirkungen sind noch größer, wenn die Tierhaltung auf entwässerten Moorböden stattfindet.

Schließlich kann man sich auch durch praktisches Engagement für den Erhalt von Mooren einsetzen. Naturschutzverbände rufen an vielen Orten zur Mitarbeit auf, beispielsweise bei Entbuschungsaktionen, der ökologisch verträglichen Mahd oder zum Amphibienschutz während der Wanderzeiten der Tiere.