Kaiser in Pose – Kinder in Aktion

 

Kinderaktionsfläche Kaiser Wilhelm Denkmal

Foto: LWL/Alexander Lehn

Schon seit 1896 steht Kaiser Wilhelm I. in starrer Pose unter seinem steinernen Baldachin auf dem Wittekindsberg an der Porta Westfalica. Der zum Denkmal gewordene Monarch ist weithin sichtbar, er kann allerdings nicht die Frage beantworten, was es mit ihm, seinem Monument und dessen Standort eigentlich auf sich hat. Daher wurde in der Sockelzone der baulich sanierten Denkmalsterrasse vor wenigen Jahren ein Informationszentrum eröffnet, das die Geschichte des Wittekindsberges multimedial aufbereitet. Auf einer Kinderaktionsfläche hinter dem Monument lassen sich Fragen und Antworten neuerdings sogar ausbuddeln.

Versetzen wir uns kurz in die Zeit zurück, als das Denkmal an der Porta Westfalica erbaut wurde. Damals war „Kaisers Geburtstag“ in Deutschland noch ein wichtiger, allerdings nicht staatlich verordneter Feiertag, dem sich besonders die Kinder kaum entziehen konnten. Statt Schulunterricht gab es dann Feierstunden mit patriotischen Liedern. Das Repertoire umfasste weit mehr als nur das heute meist zitierte „Der Kaiser ist ein lieber Mann“, fast immer erklang „Heil Dir im Siegerkranz“ – keine National-, sondern die sogenannte Kaiserhymne, zu singen nach der Melodie von „God save the King“. Deutlich ist aus alldem zu erkennen, dass man die Verbundenheit mit dem Reich vor allem als emotionale Bindung an die Person des Monarchen verstand. Seit der Thronbesteigung Wilhelms II. im Jahr 1888 fielen die Feiern übrigens auf den 27. Januar. Das Geburtsdatum von Wilhelm I., dessen Statue an der Porta Westfalica steht, war hingegen der 22. März gewesen.

Spielerische Ausgrabungen

Heutzutage dürften Kinder, die spontan wilhelminische Geburtstagsdaten nennen könnten, schwerlich noch zu finden sein. Über hundert Jahre nach dem Ende des Deutschen Kaiserreichs verbürgt selbst eine sieben Meter hohe Statue wie die an der Porta Westfalica keine starke Stellung im Wissen der Menschen mehr. Damit nicht genug: Der in Metall gegossene Monarch hat sogar auf dem Berg, auf dem er steht, die thematische Alleinherrschaft verloren. Das heutige Informationsangebot befasst sich zwar selbstverständlich ausführlich auch mit ihm und seiner Zeit,es widmet sich darüber hinaus aber noch einer Vielzahl weiterer Themen, die für die Umgebung von Bedeutung waren. Der Bogen spannt sich dabei von vorzeitlichen Knochenfunden über die Römerzeit bis hin zur düsteren Zwangsarbeit für die Rüstungs­produktion des Dritten Reichs in mehreren unterirdischen Stollen an der Porta Westfalica.

Zum Glück außerordentlich fröhlich geht es auf der neuen, rund sechshundert Quadratmeter großen Aktionsfläche für Kinder zu, die seit April 2022 für Spaß und Spannung am Denkmal sorgt. Viel gibt es hier zu erkunden, eine kaiserzeitliche Baustelle zum Beispiel. Oder man nutzt die Möglichkeit zu paläontologischen und archäologischen „Ausgrabungen“, bei denen Dinosaurierknochen, Lanzenspitzen, Römerhelme und andere Dinge aus dem Sand geborgen werden. Die Kinder sind schnell dafür zu begeistern, lernen auf unterhaltsame Weise und haben, wenn die Neugier befriedigt ist, auch noch die Gelegenheit zu klassischen Spielplatzaktivitäten wie Wippen, Rutschen, Schaukeln und Klettern.

Am letzten Schultag vor den Osterferien 2022 unterzog eine Schülergruppe der Eine-Welt-Schule Minden das neue Angebot einem ersten offiziellen Test: „In dem großen sandigen Ausgrabungsfeld konnten wir nachempfinden, wie Archäologen arbeiten, wenn sie Überreste vergangener Zeiten frei legen. Wir schaufelten und pinselten und fanden spannende Dinge. War das mal ein Helm? War es ein Werkzeug? Oder gehörten die Tonscherben zu Gefäßen?“ So schildert es der Ausflugsbericht auf der Schulhomepage. Die Spurensuche fand übrigens unter der Anleitung von Fachleuten statt, so dass es an zutreffenden Antworten auf die vielen Fragen nicht mangelte.

Text: Ralf J. Günther

Barrierefreie Erschließung

Nicht nur die Arbeiten an der Kinderaktionsfläche konnten im Frühjahr 2022 abgeschlossen werden, sondern auch die ebenfalls von der NRW-Stiftung geförderten Maßnahmen zur barrierefreien Erschließung des Denkmalareals. Dazu zählen mehrere Informationsstationen an dem Weg, der zu Ringterrasse und Denkmal führt. Diese Stationen sind durch ihre „Unterfahrbarkeit“ auch von Rollstühlen aus gut benutzbar. Es gibt darüber hinaus Beschriftungen in Braille-Buchstaben sowie Tastreliefs, die sich an Menschen mit schwacher oder fehlender Sehkraft richten. Bei den Texten wurde in besonderem Maße auf leichte Verständlichkeit geachtet. Auch ein Tastmodell des Kaiser-Wilhelm-Denkmals aus Bronze ist übrigens in Arbeit. Detaillierte Informationen über die Funktionsweise und Herstellung solcher taktilen Modelle finden sich im Beitrag „Die bronzenen Städte“.

Blickpunkt

Die NRW-Stiftung unterstützte – in Kooperation mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe – das Großprojekt „Kaiser-Wilhelm-Denkmal“ in Porta Westfalica bei der barrierearmen und zusätzlich auch kindgerechten Gestaltung des Außengeländes. Das Projekt insgesamt diente der Sanierung des Denkmalareals sowie der zeitgemäßen Vermittlung des Themas für die große Zahl der Besucherinnen und Besucher.
www.kaiser-wilhelm-denkmal.lwl.org