Hilfe für die gefiederte Göttin

 

Der Steinkauz in NRW

Foto: Frank Grawe

Der Steinkauz ist der heimliche Wappenvogel Nordrhein-Westfalens. Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele der kleinen Eulen wie in NRW. Damit das auch so bleibt, versorgen hunderte Ehrenamtliche die Vögel mit Niströhren als Wohnraum. Genauso entscheidend für die Zukunft der bedrohten Vogelart ist aber der Schutz ihres Lebensraums: Wiesen, Weiden und Streuobstbestände. Habitate, für deren Erhalt sich die NRW-Stiftung in zahlreichen Projekten landesweit einsetzt.

Ein kleines rundes Federknäuel mit riesigen gelben Augen, dazu ein beige-braunes Gefieder mit vielen weißen Tupfern: Steinkäuze sehen aus, als seien sie einer Plüschtierwerkstatt entflogen – niedlich, aber auch sehr eigentümlich. Deshalb hat der nachtaktive Kauz seit jeher die Menschen fasziniert. Sein lateinischer Name klingt wie eine Huldigung: Athene noctua, die nachtaktive Göttin der Weisheit. Es gab aber auch Zeiten, in denen der intensive Blick und die durchdringenden Rufe der Eulen Menschen Furcht eingeflößt haben. Als „Totenvogel“ wurden sie bezeichnet – möglicherweise, weil früher nachts Häuser oft nur dann von Kerzen- oder Gaslicht erleuchtet waren, wenn dort ein kranker Patient versorgt wurde. Die Eulen wiederum ernähren sich gerne von Nachtfaltern, die durch Licht angelockt werden. So jedenfalls lautet eine Erklärung für die Assoziation der kleinen Eule mit dem Tod.

Vom Totenvogel zum Sympathieträger

Heute ist der Steinkauz ein echter Sympathieträger und muss keine Verfolgung durch abergläubische Menschen mehr be­fürchten. Die Gefahren lauern an anderer Stelle. Vor allem der Verlust von Lebensraum macht den Käuzen vielerorts zu schaffen. Dabei sind Steinkäuze eigentlich nicht besonders anspruchsvoll. Sie brauchen etwas kurzrasiges Grünland, um nächtens dort von einer Ansitzwarte in einem Baum oder gerne auch mal zu Fuß zur Jagd auf Mäuse, Käfer und Regenwürmer zu gehen – und sie brauchen eine ausreichend geräumige Höhle, um ihre Jungen aufzuziehen. „Diese Lebensraumansprüche machen Steinkäuze zu den Charaktervögeln einer bäuerlich geprägten Kulturlandschaft schlechthin, wie sie über lange Zeit Regionen wie den Niederrhein oder das Münsterland geprägt haben und teilweise noch prägen“, sagt Michael Jöbges, der Vorsitzende der Deutschen Arbeits­gemeinschaft zum Schutz der Eulen. „Von Rindern beweidete Wiesen oder alte Obstgärten, in denen Schafe grasen, sind die idealen Steinkauz-Lebensräume“, sagt der Experte.

Zwei von drei Steinkäuzen Deutschlands sind Nordrhein-Westfalen

Kein Wunder also, dass Steinkäuze am Niederrhein und in Teilen des Münsterlandes ihre Hochburgen haben. Dort bieten von Kopfweiden mit ausgefaulten Astlöchern gesäumte Weiden oder die noch weit verbreiteten Streuobstbestände mit alten Apfel- oder Birnbäumen passende „All-inclusive-Lebensräume“, in denen Wohnraum und Nahrungsangebot in unmittelbarer Nähe vorhanden sind. Nirgendwo in Deutschland kann man deshalb diese hübsche kleine Eule so gut zu Gesicht bekommen, wenn sie sich gerne auch bei Tageslicht vor ihren Brutröhren sonnt, wie in den genannten und einigen weiteren Landesteilen von NRW. Fast zwei von drei Steinkäuzen Deutschlands sind Nordrhein-Westfalen: Rund 5.000 Brutpaare gibt es hier.

Doch die Bestände der Eulen gehen in vielen Regionen stark zurück. Denn gerade Grünland- und Streuobstbestände stehen enorm unter Druck: Viel Weidewirtschaft wurden zugunsten der Stallhaltung aufgegeben. Und Streuobstwiesen stehen meist an den Rändern von Dörfern: Dort, wo bei Erweiterungen die Neubaugebiete errichtet oder Umgehungsstraßen gebaut werden. Auch die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft und das damit verbundene Insektensterben macht den kleinen Eulenzu schaffen.

Tausende Niströhren gegen die Wohnungsnot

Gegen eines der Hauptprobleme der kleinen Eule, die Wohnungsnot, haben Naturschützer ein probates Mittel gefunden. Überall in den Steinkauz-Gebieten hängen Ehrenamtliche Niströhren auf, die mit einer Länge von einem Meter ausreichend Platz für die Aufzucht von meist drei bis vier Jungvögeln bieten. Allein im Kreis Steinfurt hängen zwischen 700 und 750 Röhren, berichtet Thomas Starkmann von der Biologischen Station im Kreis Steinfurt. „Der Steinkauz ist eine Art, die sehr davon profitiert und auch ein Stück weit darauf angewiesen ist, dass man ihr unter die Arme greift“, sagt der Experte. Landesweit brüten etwa die Hälfte aller Steinkäuze mittlerweile in Kästen.

Auch das Problem des zunehmenden Lebensraumverlusts gehen Naturschützer an – etwa mit Hilfe der NRW-Stiftung, die landesweit zahlreiche Projekte zum Erhalt von Streuobstwiesen und von Grünlandlebensräumen fördert. So konnten in der Obstblütenlandschaft bei Bornheim in den Naturschutzgebieten „Roisdorfer Hufebahn“ und „Quarzsandgrube“ wertvolle Steinkauz-Lebensräume gesichert werden. In Orsoy am Niederrhein ermöglichte die NRW-Stiftung schon vor 25 Jahren den Kauf von fast 30.000 Quadratmetern Streuobstwiesen, die sich dank guter Pflege durch den NABU in ein kleines Paradies für den Steinkauz und viele weitere Tier- und Pflanzenarten entwickelt haben.

Dort wachsen heute alte Kultursorten, und in Workshops zum richtigen Obstbaumschnitt zeigen Fachleute, wie Streuobstwiesen für die Zukunft erhalten werden können. „Der beste Schutz für Streuobstwiesen ist ihre nachhaltige Nutzung“, sagt Thomas Starkmann. Und deshalb darf Naturschutz auch schmecken: Die Früchte der Naturschutzarbeit – eine reiche Apfelernte – wird mittlerweile vielerorts wieder zu einhundertprozentig biologischem Apfelsaft verarbeitet.

Text: Thomas Krumenacker

Blickpunkt

Streuobstwiesen sind Überlebensinseln für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen in einer auch in NRW immer intensiver genutzten Kulturlandschaft. Die NRW-Stiftung unterstützt Pflege und Erhalt von Obstwiesenbeständen in allen Regionen des Landes. Damit wird auch das Überleben des heimlichen NRW-Wappenvogels gesichert, des Steinkauzes: Nirgendwo in Deutschland leben so viele der kleinen hübschen Eulen wie am Niederrhein und im Münsterland. Damit das so bleibt, versorgen Naturschützerinnen und Naturschützer die schon in der Antike verehrten Käuzchen mit Nisthilfen.